Börsen-Zeitung: Selters statt Sekt, Marktkommentar von Dieter
Kuckelkorn
Frankfurt (ots) - Nun also ist der vom Volumen her größte
Schuldenschnitt der Geschichte perfekt: Gläubiger, die 85,8% der in
privaten Händen befindlichen Staatsanleihen Griechenlands vertreten,
haben mehr oder weniger freiwillig dem Schuldenschnitt des am Rande
des Abgrunds stehenden Landes zugestimmt. Sie verzichten damit auf
53,5% des ursprünglichen Nominalwerts der Anleihen. Inklusive
Zinszugeständnissen geben sie sogar 74% ihrer ursprünglichen
Forderungen auf.
Und diejenigen Anleger, die freiwilligem Verzicht gar nichts
abgewinnen können, werden mittels gesetzlicher Umschuldungsklauseln,
den sogenannten Collective Action Clauses (CAC), barbiert -
jedenfalls für die Anleihen, die nach griechischem Recht aufgelegt
wurden. Den Gläubigern, die auf Anleihen sitzen, die nach
internationalem Recht aufgelegt wurden, hat man eine weitere Frist
bis 23. März eingeräumt, denn bislang wollen erst 69% dieser Gruppe
freiwillig Verzicht üben.
Verhaltene Reaktion
Trotz des deutlichen Votums der Gläubiger für den Schuldenschnitt
sind die Marktreaktionen am Freitag äußerst verhalten ausgefallen.
Von Erleichterung wegen der gelungenen Operation war jedenfalls
nichts zu spüren. Der Dax zeigte im Tagesverlauf kaum Gewinne. Zum
Sitzungsende schwang er sich zu einem eher mageren Plus von 0,7% auf
einen Endstand von 6880 Punkten auf. Auf die gesamte Handelswoche
bezogen hat der deutsche Leitindex 0,6% eingebüßt. Der Euro gab zum
Wochenausklang deutlich nach. Er büßte mehr als 1% auf 1,3115 Dollar
ein. Auch auf dem Devisenmarkt war also von positiver Stimmung wenig
zu spüren. Die Euro-Schwäche sollte allerdings auch nicht als eine
negative Reaktion auf die Umschuldung gedeutet werden. Händlern
zufolge stand etwas ganz anderes im Mittelpunkt des Interesses: Die
deutlich besser als erwartet ausgefallenen US-Arbeitsmarktzahlen
haben dem Greenback kräftig Auftrieb verliehen.
Der Grund für das Fehlen jeglicher Euphorie seitens der
Marktteilnehmer ist vor allem darin zu sehen, dass nur wenige Anleger
davon überzeugt sind, dass Griechenland über den Berg ist. Trotz der
erheblichen Entlastung Griechenlands steht es in den Sternen, ob das
südeuropäische Land den Turnaround schafft und das finanzielle
Gleichgewicht nachhaltig wiedererlangt. Dazu bedarf es - da sind sich
die meisten Experten einig - eines Zusammentreffens günstiger
Umstände. Und außerdem ist aus Sicht vieler Investoren die Gefahr
noch nicht gebannt, dass auch Portugal eine Umschuldung benötigen
könnte. Die Spreads von CDS auf portugiesisches Staatsrisiko halten
sich jedenfalls in luftigen Höhen.
Positiv ist zwar zu vermerken, dass die übrigen Krisenstaaten
inzwischen deutliche Fortschritte machen. Irland hat eindeutig die
Talsohle durchschritten, für Spanien wird dasselbe für die kommenden
Monate erwartet, und auch aus Italien kommen ermutigende Nachrichten.
Dies ist jedoch längst beispielsweise in den nachgebenden
Bondrenditen der Staatsanleihen dieser Länder, in den engeren Credit
Swaps und auch in der Rally der Aktienmärkte seit Jahresbeginn
eingepreist, die nicht vollständig liquiditätsgetrieben war. Alles in
allem wird an den Märkten aktuell kein Grund für Champagnerlaune
gesehen. Es gab also am Freitag eher Selters als Sekt.
Bleibt noch die Frage, ob mit den griechischen Credit Default
Swaps (CDS) ein Damoklesschwert über dem Markt hängt, was ebenfalls
zu der verhaltenen Stimmung beigetragen haben könnte. Hinter
vorgehaltener Hand sprachen Spitzenbanker von größeren
CDS-Engagements auch deutscher Häuser, wobei ein Haus umfangreiche
Positionen halten soll. Und immerhin räumte die österreichische KA
Finanz, die 'Bad Bank' der verstaatlichten Kommunalkredit Austria, am
Freitagabend mehr als 400 Mill. Euro Belastungen aus den
Griechenland-CDS ein. Folgt man allerdings der Darstellung des
Derivatehändlerverbandes International Swaps and Derivatives
Association (ISDA), so sollte das Kreditereignis nicht zu größeren
Verwerfungen oder einer Kettenreaktion führen. Die Organisation
spricht im Fall Griechenlands unter Berufung auf Daten des bei CDS
führenden Clearinghauses Depository Trust and Clearing Corp. (DTCC)
von einem offenen Netto-Nominalbetrag von lediglich 3,2 Mrd. Dollar.
Am Markt wird ebenfalls davon ausgegangen, dass sich die Auswirkungen
bei Fälligkeit der CDS in Grenzen halten.
Was aber nicht heißt, dass es bei dem einen oder anderen Institut
nicht doch noch zu Überraschungen kommen kann. Selters statt Sekt
scheint auch aus diesem Grund angebracht zu sein.
Originaltext: Börsen-Zeitung
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Kuckelkorn
Frankfurt (ots) - Nun also ist der vom Volumen her größte
Schuldenschnitt der Geschichte perfekt: Gläubiger, die 85,8% der in
privaten Händen befindlichen Staatsanleihen Griechenlands vertreten,
haben mehr oder weniger freiwillig dem Schuldenschnitt des am Rande
des Abgrunds stehenden Landes zugestimmt. Sie verzichten damit auf
53,5% des ursprünglichen Nominalwerts der Anleihen. Inklusive
Zinszugeständnissen geben sie sogar 74% ihrer ursprünglichen
Forderungen auf.
Und diejenigen Anleger, die freiwilligem Verzicht gar nichts
abgewinnen können, werden mittels gesetzlicher Umschuldungsklauseln,
den sogenannten Collective Action Clauses (CAC), barbiert -
jedenfalls für die Anleihen, die nach griechischem Recht aufgelegt
wurden. Den Gläubigern, die auf Anleihen sitzen, die nach
internationalem Recht aufgelegt wurden, hat man eine weitere Frist
bis 23. März eingeräumt, denn bislang wollen erst 69% dieser Gruppe
freiwillig Verzicht üben.
Verhaltene Reaktion
Trotz des deutlichen Votums der Gläubiger für den Schuldenschnitt
sind die Marktreaktionen am Freitag äußerst verhalten ausgefallen.
Von Erleichterung wegen der gelungenen Operation war jedenfalls
nichts zu spüren. Der Dax zeigte im Tagesverlauf kaum Gewinne. Zum
Sitzungsende schwang er sich zu einem eher mageren Plus von 0,7% auf
einen Endstand von 6880 Punkten auf. Auf die gesamte Handelswoche
bezogen hat der deutsche Leitindex 0,6% eingebüßt. Der Euro gab zum
Wochenausklang deutlich nach. Er büßte mehr als 1% auf 1,3115 Dollar
ein. Auch auf dem Devisenmarkt war also von positiver Stimmung wenig
zu spüren. Die Euro-Schwäche sollte allerdings auch nicht als eine
negative Reaktion auf die Umschuldung gedeutet werden. Händlern
zufolge stand etwas ganz anderes im Mittelpunkt des Interesses: Die
deutlich besser als erwartet ausgefallenen US-Arbeitsmarktzahlen
haben dem Greenback kräftig Auftrieb verliehen.
Der Grund für das Fehlen jeglicher Euphorie seitens der
Marktteilnehmer ist vor allem darin zu sehen, dass nur wenige Anleger
davon überzeugt sind, dass Griechenland über den Berg ist. Trotz der
erheblichen Entlastung Griechenlands steht es in den Sternen, ob das
südeuropäische Land den Turnaround schafft und das finanzielle
Gleichgewicht nachhaltig wiedererlangt. Dazu bedarf es - da sind sich
die meisten Experten einig - eines Zusammentreffens günstiger
Umstände. Und außerdem ist aus Sicht vieler Investoren die Gefahr
noch nicht gebannt, dass auch Portugal eine Umschuldung benötigen
könnte. Die Spreads von CDS auf portugiesisches Staatsrisiko halten
sich jedenfalls in luftigen Höhen.
Positiv ist zwar zu vermerken, dass die übrigen Krisenstaaten
inzwischen deutliche Fortschritte machen. Irland hat eindeutig die
Talsohle durchschritten, für Spanien wird dasselbe für die kommenden
Monate erwartet, und auch aus Italien kommen ermutigende Nachrichten.
Dies ist jedoch längst beispielsweise in den nachgebenden
Bondrenditen der Staatsanleihen dieser Länder, in den engeren Credit
Swaps und auch in der Rally der Aktienmärkte seit Jahresbeginn
eingepreist, die nicht vollständig liquiditätsgetrieben war. Alles in
allem wird an den Märkten aktuell kein Grund für Champagnerlaune
gesehen. Es gab also am Freitag eher Selters als Sekt.
Bleibt noch die Frage, ob mit den griechischen Credit Default
Swaps (CDS) ein Damoklesschwert über dem Markt hängt, was ebenfalls
zu der verhaltenen Stimmung beigetragen haben könnte. Hinter
vorgehaltener Hand sprachen Spitzenbanker von größeren
CDS-Engagements auch deutscher Häuser, wobei ein Haus umfangreiche
Positionen halten soll. Und immerhin räumte die österreichische KA
Finanz, die 'Bad Bank' der verstaatlichten Kommunalkredit Austria, am
Freitagabend mehr als 400 Mill. Euro Belastungen aus den
Griechenland-CDS ein. Folgt man allerdings der Darstellung des
Derivatehändlerverbandes International Swaps and Derivatives
Association (ISDA), so sollte das Kreditereignis nicht zu größeren
Verwerfungen oder einer Kettenreaktion führen. Die Organisation
spricht im Fall Griechenlands unter Berufung auf Daten des bei CDS
führenden Clearinghauses Depository Trust and Clearing Corp. (DTCC)
von einem offenen Netto-Nominalbetrag von lediglich 3,2 Mrd. Dollar.
Am Markt wird ebenfalls davon ausgegangen, dass sich die Auswirkungen
bei Fälligkeit der CDS in Grenzen halten.
Was aber nicht heißt, dass es bei dem einen oder anderen Institut
nicht doch noch zu Überraschungen kommen kann. Selters statt Sekt
scheint auch aus diesem Grund angebracht zu sein.
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