Börsen-Zeitung: Vorsicht, zerbrechlich, Kommentar zu den Baustellen
der EU-Politik, von Detlef Fechtner.
Frankfurt (ots) - Au Backe, in Brüssel geht die Angst um. Im
November sollen sich eigentlich Europas Regierungschefs darüber
einigen, wer künftig wie viel in die EU-Kasse einzahlt. Das wird ein
böses Hauen und Stechen - zumal in einer Zeit, in der ohnehin Argwohn
vorherrscht, weil viele Milliarden bereits in Euro-Schirme geflossen
sind. Zudem sitzt anders als vor sieben Jahren nicht der - für
britische Verhältnisse europafreundliche - Tony Blair mit am Tisch,
sondern David Cameron. Und selbst der hat nun in der Heimat eine
Schlappe einstecken müssen, weil er als noch zu kompromissbereit
gegenüber der EU gilt. Also, wenn das kein Grund ist, um in Brüssel
Panik auszulösen.
Bislang galt das Kalkül, dass sich die Briten ja mehr schaden als
nutzen, wenn sie beim Poker ums Billionen-Budget hartleibig bleiben.
Denn im Falle eines Scheiterns des Sieben-Jahres-Etats wegen
britischer Widerstände könnten sich die 26 EU-Partner revanchieren
und ersatzweise jährliche Haushalte absegnen - gegen Londons Veto.
Spätestens seit Mittwoch aber ist diese Sicht der Dinge zu eng.
Denn eine Provokation Camerons, der nun zu Hause unter argem Druck
steht, ist gerade jetzt riskant, wo die EU auf sein Entgegenkommen in
anderen Angelegenheiten dringend angewiesen ist. Schließlich ist eine
Lösung nicht allein beim Sieben-Jahres-Haushalt in weiter Ferne,
sondern auch bei der Bankenaufsicht - und die soll ja fahrplanmäßig
an Silvester zumindest auf dem Papier beschlossen sein. Ganz zu
schweigen von der politischen Reform der Union, die im Grunde ja auch
noch 2012 abgehakt werden sollte.
Mit dem Terminplan ist die EU längst so weit hintendran wie sonst
nur die Griechen mit ihrem Anpassungsprogramm. Mindestens die erste
Novemberhälfte wird draufgehen, um eine Lösung für Athens akute
Finanzprobleme zu finden und einen Grexit zu verhindern. Unmittelbar
danach sind alle Kräfte nötig, um beim Geschacher über die
EU-Finanzierung einig zu werden. Was niemand braucht, ist eine
weitere Abkopplung Großbritanniens von der EU. Nicht zufällig hat der
Albtraum der EU-Spitzen mittlerweile mehrere Namen: Nicht bloß
Grexit, sondern auch Brexit.
Dabei muss man nicht einmal bis zum bitteren Ende eines Austritts
denken. Schon ein spürbarer Rückzug von Briten - oder der ebenfalls
skeptischen Schweden - würde die Union schwer erschüttern. Die EU
bekommt bereits Risse. Damit daraus keine Bruchstellen werden,
sollten die Regierungschefs als erstes ihre überehrgeizigen Zeitpläne
für den Rest dieses Jahres strecken.
(Börsen-Zeitung, 2.11.2012)
Originaltext: Börsen-Zeitung
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Börsen-Zeitung
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Telefon: 069--2732-0
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Frankfurt (ots) - Au Backe, in Brüssel geht die Angst um. Im
November sollen sich eigentlich Europas Regierungschefs darüber
einigen, wer künftig wie viel in die EU-Kasse einzahlt. Das wird ein
böses Hauen und Stechen - zumal in einer Zeit, in der ohnehin Argwohn
vorherrscht, weil viele Milliarden bereits in Euro-Schirme geflossen
sind. Zudem sitzt anders als vor sieben Jahren nicht der - für
britische Verhältnisse europafreundliche - Tony Blair mit am Tisch,
sondern David Cameron. Und selbst der hat nun in der Heimat eine
Schlappe einstecken müssen, weil er als noch zu kompromissbereit
gegenüber der EU gilt. Also, wenn das kein Grund ist, um in Brüssel
Panik auszulösen.
Bislang galt das Kalkül, dass sich die Briten ja mehr schaden als
nutzen, wenn sie beim Poker ums Billionen-Budget hartleibig bleiben.
Denn im Falle eines Scheiterns des Sieben-Jahres-Etats wegen
britischer Widerstände könnten sich die 26 EU-Partner revanchieren
und ersatzweise jährliche Haushalte absegnen - gegen Londons Veto.
Spätestens seit Mittwoch aber ist diese Sicht der Dinge zu eng.
Denn eine Provokation Camerons, der nun zu Hause unter argem Druck
steht, ist gerade jetzt riskant, wo die EU auf sein Entgegenkommen in
anderen Angelegenheiten dringend angewiesen ist. Schließlich ist eine
Lösung nicht allein beim Sieben-Jahres-Haushalt in weiter Ferne,
sondern auch bei der Bankenaufsicht - und die soll ja fahrplanmäßig
an Silvester zumindest auf dem Papier beschlossen sein. Ganz zu
schweigen von der politischen Reform der Union, die im Grunde ja auch
noch 2012 abgehakt werden sollte.
Mit dem Terminplan ist die EU längst so weit hintendran wie sonst
nur die Griechen mit ihrem Anpassungsprogramm. Mindestens die erste
Novemberhälfte wird draufgehen, um eine Lösung für Athens akute
Finanzprobleme zu finden und einen Grexit zu verhindern. Unmittelbar
danach sind alle Kräfte nötig, um beim Geschacher über die
EU-Finanzierung einig zu werden. Was niemand braucht, ist eine
weitere Abkopplung Großbritanniens von der EU. Nicht zufällig hat der
Albtraum der EU-Spitzen mittlerweile mehrere Namen: Nicht bloß
Grexit, sondern auch Brexit.
Dabei muss man nicht einmal bis zum bitteren Ende eines Austritts
denken. Schon ein spürbarer Rückzug von Briten - oder der ebenfalls
skeptischen Schweden - würde die Union schwer erschüttern. Die EU
bekommt bereits Risse. Damit daraus keine Bruchstellen werden,
sollten die Regierungschefs als erstes ihre überehrgeizigen Zeitpläne
für den Rest dieses Jahres strecken.
(Börsen-Zeitung, 2.11.2012)
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