(Aktualisierte Fassung)
BERLIN (dpa-AFX) - Horst Seehofer war der erste. Schon kurz vor 19 Uhr fuhr der CSU-Chef im Kanzleramt vor - eine gute Viertelstunde vor FDP-Chef Philipp Rösler. Vielleicht hat sich Rösler so ein erstes Dampfablassen des Bayern erspart. Jedenfalls hatte Seehofer sich vor dem Gipfel bei Angela Merkel so wütend über angekündigte Steuerentlastungen gezeigt, dass Ergebnisse vorher fraglich erschienen.
Dabei stand eine ganze Palette ungelöster Probleme zum Start in die zweite Halbzeit der Legislaturperiode zur Klärung an. Während die FDP Impulse für die deutlich vor der Abkühlung stehenden Konjunktur will, pocht die CSU auf Projekte wie Pkw-Maut oder Betreuungsgeld. Auch die Sorgen über mögliche Folgen eines Hebels für den Euro-Rettungsschirm EFSF für den deutschen Steuerzahler waren in der Koalition an vielen Stellen spürbar.
Mitten in der dramatischen Euro-Krise voller Ungewissheit über die Rettungsinstrumente kam die Koalition zuletzt aus ihren Streitereien nicht heraus. Der jüngste Eindruck von Gemeinsamkeit und Eintracht hielt nur wenige Minuten.
'Ich habe gesagt, er ist ein sehr kompetenter, ein liebenswürdiger Kollege', säuselte CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble noch am Donnerstag in Richtung Rösler. Der neben ihm sitzenden FDP-Wirtschaftsminister rückte mit ironisch umspielter Genugtuung seine bereits bestens sitzende blaue Krawatte zurecht.
Das war, als beide Minister mit dem Segen der Kanzlerin ihre Steuersenkungspläne von sechs bis sieben Milliarden Euro verkündeten. Doch die Demonstration von Harmonie wurde binnen Minuten konterkariert. Seehofer polterte in München fast zeitgleich los. Mit der CSU - soviel wurde klar - war der Vorstoß wohl nicht abgestimmt. Und Seehofer ließ auch die nächste Gelegenheit hierzu verstreichen und boykottierte ein Vorbereitungstreffen für den Gipfel bei Merkel.
Dabei könnte man sich in der Sache durchaus einigen - auch die CSU will Steuersenkungen, doch liegen ihr eben auch die anderen Projekte etwa zugunsten des Verkehrsetats von CSU-Mann Peter Ramsauer am Herzen. Und zum Wesen von Spitzenrunden wie im Kanzleramt gehört die Möglichkeit zu Kompromissen über die Grenzen einzelner Politikbereiche hinaus. Das wird durch das Herauslösen einzelner Teile wie bei den Steuern nicht leichter.
In puncto Pflegereform liegen die Koalitionäre seit Monaten so über Kreuz, dass eine abschließende und detaillierte Einigung auf dem Gipfel niemand erwartete. Doch auch hier brauchte es rasch eine Einigung, wenn die Reform wie geplant im ersten Halbjahr 2012 in Kraft treten soll. Und benötigen nicht auch die bayerischen Kommunen Hilfe, die bald Bundeswehrstandorte verlieren sollen?
Das Kommunikationsdebakel rund um die Steuern führte dazu, dass sich zur Verwirrung und den Sorgen über die nächsten Schritte zur Euro-Stabilisierung der Eindruck fortwährenden Koalitionszwistes gesellte. Dabei ist die geplante Steuerentlastung ein vergleichsweise kleines Projekt, wie Schäuble selbst einräumte.
Und wie geht es bei der Euro-Rettung weiter? In fast letzter Minute wurde aus dem EU-Gipfel am Sonntag nur die Vorstufe zu einem eilends einberufenen zweiten Treffen am Mittwoch. So gibt es mehr Zeit zum Pokern. Öffentlich gab es von Kanzlerin Merkel in den dramatischen vergangenen Tagen keine Wegweisung. Intern muss sie ihre Reihen zu schließen versuchen. Trotz verschobener Entscheidungen setzte Merkel in einer Sondersitzung der Unionsfraktion am Freitagmorgen auf Beruhigung: Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit./bw/DP/ck
BERLIN (dpa-AFX) - Horst Seehofer war der erste. Schon kurz vor 19 Uhr fuhr der CSU-Chef im Kanzleramt vor - eine gute Viertelstunde vor FDP-Chef Philipp Rösler. Vielleicht hat sich Rösler so ein erstes Dampfablassen des Bayern erspart. Jedenfalls hatte Seehofer sich vor dem Gipfel bei Angela Merkel so wütend über angekündigte Steuerentlastungen gezeigt, dass Ergebnisse vorher fraglich erschienen.
Dabei stand eine ganze Palette ungelöster Probleme zum Start in die zweite Halbzeit der Legislaturperiode zur Klärung an. Während die FDP Impulse für die deutlich vor der Abkühlung stehenden Konjunktur will, pocht die CSU auf Projekte wie Pkw-Maut oder Betreuungsgeld. Auch die Sorgen über mögliche Folgen eines Hebels für den Euro-Rettungsschirm EFSF für den deutschen Steuerzahler waren in der Koalition an vielen Stellen spürbar.
Mitten in der dramatischen Euro-Krise voller Ungewissheit über die Rettungsinstrumente kam die Koalition zuletzt aus ihren Streitereien nicht heraus. Der jüngste Eindruck von Gemeinsamkeit und Eintracht hielt nur wenige Minuten.
'Ich habe gesagt, er ist ein sehr kompetenter, ein liebenswürdiger Kollege', säuselte CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble noch am Donnerstag in Richtung Rösler. Der neben ihm sitzenden FDP-Wirtschaftsminister rückte mit ironisch umspielter Genugtuung seine bereits bestens sitzende blaue Krawatte zurecht.
Das war, als beide Minister mit dem Segen der Kanzlerin ihre Steuersenkungspläne von sechs bis sieben Milliarden Euro verkündeten. Doch die Demonstration von Harmonie wurde binnen Minuten konterkariert. Seehofer polterte in München fast zeitgleich los. Mit der CSU - soviel wurde klar - war der Vorstoß wohl nicht abgestimmt. Und Seehofer ließ auch die nächste Gelegenheit hierzu verstreichen und boykottierte ein Vorbereitungstreffen für den Gipfel bei Merkel.
Dabei könnte man sich in der Sache durchaus einigen - auch die CSU will Steuersenkungen, doch liegen ihr eben auch die anderen Projekte etwa zugunsten des Verkehrsetats von CSU-Mann Peter Ramsauer am Herzen. Und zum Wesen von Spitzenrunden wie im Kanzleramt gehört die Möglichkeit zu Kompromissen über die Grenzen einzelner Politikbereiche hinaus. Das wird durch das Herauslösen einzelner Teile wie bei den Steuern nicht leichter.
In puncto Pflegereform liegen die Koalitionäre seit Monaten so über Kreuz, dass eine abschließende und detaillierte Einigung auf dem Gipfel niemand erwartete. Doch auch hier brauchte es rasch eine Einigung, wenn die Reform wie geplant im ersten Halbjahr 2012 in Kraft treten soll. Und benötigen nicht auch die bayerischen Kommunen Hilfe, die bald Bundeswehrstandorte verlieren sollen?
Das Kommunikationsdebakel rund um die Steuern führte dazu, dass sich zur Verwirrung und den Sorgen über die nächsten Schritte zur Euro-Stabilisierung der Eindruck fortwährenden Koalitionszwistes gesellte. Dabei ist die geplante Steuerentlastung ein vergleichsweise kleines Projekt, wie Schäuble selbst einräumte.
Und wie geht es bei der Euro-Rettung weiter? In fast letzter Minute wurde aus dem EU-Gipfel am Sonntag nur die Vorstufe zu einem eilends einberufenen zweiten Treffen am Mittwoch. So gibt es mehr Zeit zum Pokern. Öffentlich gab es von Kanzlerin Merkel in den dramatischen vergangenen Tagen keine Wegweisung. Intern muss sie ihre Reihen zu schließen versuchen. Trotz verschobener Entscheidungen setzte Merkel in einer Sondersitzung der Unionsfraktion am Freitagmorgen auf Beruhigung: Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit./bw/DP/ck