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Lira fällt weiter - Türkei reagiert mit Notfallmaßnahmen

Veröffentlicht am 13.08.2018, 12:03
© Reuters.  Lira fällt weiter - Türkei reagiert mit Notfallmaßnahmen
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(Neu: Börsenreaktion, Analysten-Kommentare, mehr Hintergrund.)

ANKARA/WASHINGTON (dpa-AFX) - Nach einem weiteren dramatischen Absacken der Lira an den Börsen haben der Finanzminister und die Zentralbank der Türkei am Montag Notfallmaßnahmen ergriffen. Im asiatischen Handel war der Wert der türkischen Währung am frühen Morgen zum Euro und US-Dollar zeitweise erneut zweistellig gefallen. Erstmals mussten mehr als sieben Lira für einen US-Dollar und über acht Lira für einen Euro gezahlt werden. Die Börsen verunsichert, dass verdoppelte US-Strafzölle auf Stahl aus der Türkei in Kraft getreten sind. Später erholte sich die Lira etwas.

Unterdessen werden Absicherungen gegen einen Zahlungsausfall der Türkei an den Börsen teurer. Am Montag kosteten Versicherungen für fünfjährige Staatsanleihen so viel wie seit der Wirtschaftskrise 2009 in dem Land nicht mehr. Die Börse in Istanbul reagierte zum Wochenstart mit kräftigen Verlusten von zuletzt rund vier Prozent. Staatsanleihen der Türkei standen ebenfalls weiter unter Druck.

Die Notenbank in Ankara, die in der Krise lange unsichtbar geblieben war, teilte am Morgen mit, dass die Banken sich zusätzliche Mittel in Fremdwährung leihen könnten. Ihnen würden zusätzliche Refinanzierungsgeschäfte angeboten und Reserve-Anforderungen an bestimmte Währungsgeschäfte würden verringert. Die Schritte dürften darauf zielen, die Liquidität am türkischen Finanzmarkt zu erhöhen. Die Notenbank teilte mit, sie werde die Märkte genau beobachten. Es würden alle Schritte ergriffen, um die Finanzstabilität zu sichern.

Der türkische Finanzminister Berat Albayrak wiederum versuchte, mit einer Serie von Tweets und Interviews Vertrauen zu schaffen. Er versprach einen "Aktionsplan", der von Montag an gelten sollte. In einem Interview mit der Zeitung "Hürriyet" sagte, dieser richte sich auch an kleine und mittlere Firmen, die von Währungsschwankungen am stärksten betroffen seien. Zudem sagte er laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu, dass Einlagen nicht beschlagnahmt und Devisen auf Bankkonten nicht in Lira umgewandelt würden.

Analysten wie der Türkei-Spezialist Timothy Ash kritisierten, dass das früher hätte passieren müssen - bevor die asiatischen Märkte öffneten. "Sie sind immer hinterher, müssen immer aufholen, sind immer zu spät dran, und dann ist der Schaden angerichtet", twitterte er. So könne die Krise nicht gemanagt werden.

Ein zentraler Kritikpunkt von Investoren und Analysten ist, dass Präsident Erdogan in der Besetzung von Schlüsselposition Loyalität vor Expertise gestellt hat. Der amtierende Finanzminister ist sein Schwiegersohn. Außerdem hatte Erdogan in den vergangenen Jahren mit unorthodoxen Auffassungen Investoren verunsichert - und besteht weiter auf seinen Thesen. So ist er anders als Ökonomen ein Gegner von Zinserhöhungen, um die massive Inflation im Land zu stoppen. Die liegt mittlerweile bei mehr als 15 Prozent.

Die Lira verliert schon seit Jahresbeginn an Wert, aber ein Streit mit den USA um das Schicksal des US-Pastors Andrew Brunson, der in der Türkei wegen Terrorvorwürfen festgehaltenen wird, hatte sie in den freien Fall befördert. Am Freitag hatte Präsident Donald Trump die Verdoppelung von Strafzöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte aus der Türkei verkündete. Stahl aus der Türkei wird seit Montag mit Abgaben in Höhe von 50 Prozent statt bislang 25 Prozent belegt.

Weitere Kursverluste der Lira gab es nach Reden von Erdogan, der am Wochenende den Ton in dem Streit der beiden Nato-Partner verschärft hatte. Er sprach von "Kampagnen" gegen die Türkei und einem "Wirtschaftskrieg" und lehnte zugleich eine von Ökonomen angeregte Intervention des Internationalen Währungsfonds (IWF) ab.

Für die deutsche Wirtschaft ist die Türkei-Krise eines von vielen geopolitischen Risiken. Als Handelspartner spielt die Türkei aber eine untergeordnete Rolle: 2017 gingen Waren im Wert von 21,5 Milliarden Euro aus Deutschland in das Land am Bosporus. Die Türkei liegt als Exportmarkt der Bundesrepublik damit auf Rang 16. Zum Vergleich: Das Ausfuhrvolumen in die USA - dem wichtigsten Einzelmarkt - lag bei 111,5 Milliarden Euro, nach Frankreich gingen Waren im Wert von 105,2 Milliarden Euro.

Heimische Unternehmen forderte Erdogan derweil auf, sich von Krise nicht beeinflussen zu lassen. Es sei nicht nur die Pflicht der Regierung, die Nation am Leben zu erhalten - "es ist auch die Pflicht der Industriellen und der Händler", sagte Erdogan am Sonntag. Er warnte die Firmen davor, Bankrott anzumelden: "Wenn ihr das macht, begeht ihr einen Fehler!"

Zudem erhöhte die Regierung den Druck auf Unternehmer sowie Medien, die über die Krise berichten. Der Kapitalmarkt-Ausschuss des Landes kündigte "rechtliche Maßnahmen" an gegen jene, die falsche Berichte über staatliche Banken und Unternehmen veröffentlichten. Einem Bericht zufolge schaut auch der Ermittlungs-Ausschuss für Finanzkriminalität im Finanzministerium auf solche Taten.

Ferner gingen Staatsanwälte in Ankara und Istanbul gegen Personen und Konten in sozialen Medien vor, die "die die wirtschaftliche Sicherheit des Landes gefährden", wie die Agentur Anadolu berichtete. Aus dem Innenministerium kam die Nachricht, dass es schon Ermittlungen gegen die Betreiber von 346 Konten in sozialen Medien gebe. Sie hätten mit Berichten den Anstieg des Dollars gegenüber der Lira gestützt.

Aus Angst vor der Türkei-Krise haben sich Anleger auch verstärkt aus Tourismus-Aktien zurückgezogen. Papiere von Anbietern mit Türkei-Geschäft gaben zu Wochenbeginn deutlich nach. Zwar sei der massive Wertverfall der Lira prinzipiell gut für Touristen, sagte Marktbeobachter Neil Wilson von Markets.com. Damit steige die Kaufkraft von Besuchern im Land. Doch die Angst vor einem wirtschaftlichen Kollaps überwiege, meinte er. Verwerfungen auch in anderen Schwellenländern könnten die Weltwirtschaft treffen.

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