FRANKFURT/ANKARA (dpa-AFX) - Die massiven Zinserhöhungen in der Türkei haben am Mittwoch zu deutlicher Entspannung an den Finanzmärkten vieler Schwellenländer geführt. Die anfängliche Euphorie ließ allerdings rasch wieder nach. Vor wichtigen geldpolitischen Entscheidungen, die am Abend in den USA anstehen, schalten die Börsen in die Defensive um.
Die türkische Notenbank war am Dienstagabend zu einer Krisensitzung in Ankara zusammengekommen und hatte spektakuläre Erhöhungen von wichtigen Referenzzinsen für die Wirtschaft beschlossen. Der Leitzins wurde auf einen Schlag von bisher 4,5 Prozent auf 10 Prozent angehoben. Viele Experten sehen diesen Schritt als überfällig an, in seiner Heftigkeit kam er aber doch überraschend. Die türkische Lira, die seit Jahresbeginn unter heftigem Abwertungsdruck stand, machte daraufhin den größten Kurssprung seit 2008. Zuletzt notierte sie jedoch wieder etwas schwächer.
KURSRALLY GING SCHNELL DIE LUFT AUS
Auch andere Schwellenländer-Währungen legten nach den geldpolitischen Maßnahmen in der Türkei zunächst kräftig zu. Allerdings ging der Kursrally schnell die Luft aus. So drehte beispielsweise der südafrikanische Rand bis zum Nachmittag ins Minus. Südkoreas Won, Indiens Rupie und Indonesiens Rupiah mussten einen Teil ihrer Gewinne abgeben. Während der argentinische Peso sich weiter stabilisieren konnte, rutschte der brasilianische Real wieder deutlich ab.
Der breite Schwellenländer-Aktienindex 'MSCI Emerging Markets' war in der Nacht zunächst um 1,2 Prozent auf 944,90 Punkte angezogen - so stark wie seit Mitte November nicht mehr. Zuletzt notierte der Index mit 941,71 Punkten aber wieder etwas niedriger. Auch an den restlichen Aktienmärkten ließ die anfängliche Euphorie im Handelsverlauf nach.
EXPERTIN: ABSOLUT NOTWENDIGER SCHRITT
Während der EuroStoxx 50 (DJX:SX5E) zuletzt moderat ins Minus drehte, schmolzen die anfänglichen Gewinne im Dax (ETR:DAX) von zunächst deutlich mehr als einem Prozent am Mittag auf 0,17 Prozent zusammen. Für die Wall Street zeichnete sich eine verhaltene Eröffnung ab. Am Dienstag hatte sie ihre Gewinne nach der Zinsentscheidung in der Türkei noch verteidigen können.
Experten begrüßten die Zinserhöhungen in der Türkei. 'Die Zentralbank hat einen wichtigen Schritt unternommen, um ihre Reputation zu festigen', kommentierte Harwig Wild vom Bankhaus Metzler. 'Dies war absolut notwendig, um einerseits die Inflationsgefahren einzudämmen und andererseits die Finanzierung des hohen Leistungsbilanzdefizits zu gewährleisten', sagte Thu Lan Nguyen von der Commerzbank.
ABFLAUEN DER DOLLARFLUT BELASTET
Die türkische Währung befand sich in den vergangenen Wochen im freien Fall. Die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan steht wegen eines Korruptionsskandals mit dem Rücken zur Wand. Hinzu kommt die starke Abhängigkeit des Landes von ausländischem Kapital, was sich in hohen Handelsdefiziten spiegelt. Die Inflation liegt mit 7,4 Prozent auf hohem Niveau.
Erschwerend kommt für die Türkei wie für viele andere Schwellenländer die Politik der US-Notenbank Fed hinzu. Weil die Fed ihre Flut billigen Geldes drosselt, ziehen Investoren in großem Maßstab Mittel aus den Regionen ab, die in den vergangenen Jahren von der Liquiditätsschwemme profitiert hatten. Am Abend werden die US-Währungshüter ihren geldpolitischen Kurs bestimmen.
Ökonomen rechnen mit einer weiteren Einschränkung der Dollarflut. Die zur Konjunkturstützung aufgelegten Anleihekäufe der Fed dürften nach Einschätzung der meisten Volkswirte von derzeit 75 Milliarden Dollar pro Monat auf 65 Milliarden Dollar reduziert werden. Bereits im Dezember hatte die Notenbank eine Drosselung um zehn Milliarden Dollar beschlossen./hbr/rum/bgf/fbr