BRÜSSEL (dpa-AFX) - Ungeachtet heftiger Kritik aus ganz Europa bleibt die Bundesregierung bei ihrer Forderung nach verstärkter Kontrolle für den Schuldensünder Griechenland. In der Debatte um einen 'Sparkommissar' für Athen bemühte sich Kanzlerin Angela Merkel beim EU-Gipfel in Brüssel aber um Schadensbegrenzung. Sie machte deutlich, dass mit - und nicht gegen Griechenland - gehandelt werden müsse.
Bei dem eintägigen Spitzentreffen gab es am Montag scharfe Vorwürfe wegen des Berliner Vorstoßes, dem völlig überschuldeten Griechenland die Hoheit über seine Haushaltspolitik zu entziehen und einem EU-Kontrolleur zu übertragen. Dem Vernehmen nach kamen die Ideen aus dem Berliner Finanzministerium.
JUNCKER NENNT 'SPARKOMMISSAR'-VORSCHLAG 'INAKZEPTABEL'
Der Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, bezeichnete den Vorschlag als 'inakzeptabel'. Eine solche Regelung sei nur möglich, wenn es sie für alle Staaten gebe. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann sagte: 'Beleidigen muss man niemanden in der Politik.'
Merkel sagte zwar: 'Ich glaube, dass wir eine Diskussion führen, die wir nicht führen sollten.' Sie fügte aber hinzu: 'Es geht darum: Wie kann Europa unterstützen, dass in Griechenland die Dinge eingehalten werden, die als Auflagen gegeben werden. Aber alles geht nur, indem Griechenland und die anderen Staaten das miteinander diskutieren.'
DIPLOMATEN: SONDERGIPFEL ANFANG FEBRUAR NICHT AUSGESCHLOSSEN
Aus der Ferne distanzierte sich auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP): 'Ich bin sehr unglücklich über den Ton in dieser Debatte', sagte er auf einer Nahost-Reise in Kairo. Wir sollten 'eine Ermutigungsdebatte führen, keine Entmutigungsdebatte'.
Gipfelchef Herman Van Rompuy wollte über Griechenland auf dem Gipfel nicht länger debattieren, weil der Prüfbericht von Experten der EU und des Internationalen Währungsfonds noch nicht vorliegt. Wegen der zugespitzten Schuldenlage in Griechenland schlossen Diplomaten einen zusätzlichen Sondergipfel Anfang Februar nicht aus. Entscheidungen seien aber noch nicht gefallen, hieß es. Das pleitebedrohte Land ringt derzeit mit seinen Gläubigern um einen teilweisen Schuldenerlass.
ESM GEBILLIGT
Die Staatenlenker stärkten das Kriseninstrumentarium, um Länder vor der Pleite zu schützen. Sie billigten den dauerhaften Krisenfonds für schwächelnde Euro-Länder ESM. Dieser soll am 1. Juli starten und einen Umfang von 500 Milliarden Euro haben.
Der ESM soll Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen und dieses Geld an pleitebedrohte Euro-Staaten weiterreichen. Dadurch können Schuldensünder günstiger an Geld kommen, als wenn sie selbst Summen am Markt aufnehmen würden.
VORHANDENE MITTEL BESSER EINSETZEN
Ob das Volumen für Notkredite ausreicht, soll der nächste EU-Gipfel im März überprüfen. Debattiert wird eine Verdoppelung des neuen ESM-Fonds auf eine Billion Euro. Merkel lehnt eine Aufstockung aber vorerst ab. Der ESM wird den derzeitigen Euro-Rettungsschirm EFSF ablösen und über ein eingezahltes Barkapital von 80 Milliarden Euro verfügen. Deutschland muss einen Anteil von rund 22 Milliarden berappen.
Der Gipfel beschloss auch, mehr für das Wirtschaftswachstum und vor allem für Arbeitsplätze junger Menschen zu machen. Dazu sollen vorhandene Mittel aus den milliardenschweren Brüsseler EU-Töpfen rascher und besser eingesetzt werden. Derzeit sind in den Strukturfonds noch 82 Milliarden Euro vorhanden, die bisher nicht für konkrete Projekte vorgesehen sind.
PORTUGAL MACHT SORGEN
Die Staaten, in denen die Jugendarbeitslosigkeit bei mindestens 30 Prozent liegt und die deswegen auf Hilfe bei der Suche nach förderungswürdigen Projekten hoffen dürfen, sind Estland, Griechenland, Italien, Portugal, Slowakei, Spanien, Lettland und Litauen.
Sorge macht auch das hochverschuldete Portugal, das wieder ins Visier der Anleger geraten ist. Die Renditen für Staatsanleihen kletterten auf die höchsten Stände seit Einführung des Euro. Der Fast-Pleitestaat erhält bereits 78 Milliarden Euro Nothilfen aus dem derzeitigen Rettungsfonds EFSF.
POLEN WILL MEHR MITREDEN
Beim Gipfel sorgte auch Polen für Ärger, das gemeinsam mit anderen Nicht-Euro-Ländern bei Entscheidungen zur Euro-Krise mehr mitreden will. Die Staaten sollen laut einem Kompromissvorschlag nun mit am Tisch sitzen können, wenn es um die Zukunft der Gemeinschaftswährung oder die Anwendung des Sparpakts (Fiskalpakts) geht. Diese Treffen sollen mindestens zweimal im Jahr stattfinden.
Die 'Chefs' wollten auch den neuen Sparpakt verabschieden, in dem sich die Unterzeichner zu strikter Haushaltsdisziplin und einer Schuldenbremse verpflichten. So soll verlorenes Vertrauen der Finanzmärkte wiedergewonnen werden. Großbritannien beteiligt sich als bislang einziges EU-Land nicht daran. Die Staats- und Regierungschefs berieten länger als ursprünglich vorgesehen.
STREIK IN BELGIEN BEHINDERT ANREISE
Ein Streik in Belgien gegen das Sparpaket der Regierung hatte am Mittag die Anreise der Gipfelteilnehmer behindert. Merkel und andere Regierungschefs landeten nicht wie gewohnt auf dem Flughafen Brüssel, sondern auf der Luftwaffenbasis Beauvechain südöstlich der Hauptstadt./cb/DP/he
Bei dem eintägigen Spitzentreffen gab es am Montag scharfe Vorwürfe wegen des Berliner Vorstoßes, dem völlig überschuldeten Griechenland die Hoheit über seine Haushaltspolitik zu entziehen und einem EU-Kontrolleur zu übertragen. Dem Vernehmen nach kamen die Ideen aus dem Berliner Finanzministerium.
JUNCKER NENNT 'SPARKOMMISSAR'-VORSCHLAG 'INAKZEPTABEL'
Der Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, bezeichnete den Vorschlag als 'inakzeptabel'. Eine solche Regelung sei nur möglich, wenn es sie für alle Staaten gebe. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann sagte: 'Beleidigen muss man niemanden in der Politik.'
Merkel sagte zwar: 'Ich glaube, dass wir eine Diskussion führen, die wir nicht führen sollten.' Sie fügte aber hinzu: 'Es geht darum: Wie kann Europa unterstützen, dass in Griechenland die Dinge eingehalten werden, die als Auflagen gegeben werden. Aber alles geht nur, indem Griechenland und die anderen Staaten das miteinander diskutieren.'
DIPLOMATEN: SONDERGIPFEL ANFANG FEBRUAR NICHT AUSGESCHLOSSEN
Aus der Ferne distanzierte sich auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP): 'Ich bin sehr unglücklich über den Ton in dieser Debatte', sagte er auf einer Nahost-Reise in Kairo. Wir sollten 'eine Ermutigungsdebatte führen, keine Entmutigungsdebatte'.
Gipfelchef Herman Van Rompuy wollte über Griechenland auf dem Gipfel nicht länger debattieren, weil der Prüfbericht von Experten der EU und des Internationalen Währungsfonds noch nicht vorliegt. Wegen der zugespitzten Schuldenlage in Griechenland schlossen Diplomaten einen zusätzlichen Sondergipfel Anfang Februar nicht aus. Entscheidungen seien aber noch nicht gefallen, hieß es. Das pleitebedrohte Land ringt derzeit mit seinen Gläubigern um einen teilweisen Schuldenerlass.
ESM GEBILLIGT
Die Staatenlenker stärkten das Kriseninstrumentarium, um Länder vor der Pleite zu schützen. Sie billigten den dauerhaften Krisenfonds für schwächelnde Euro-Länder ESM. Dieser soll am 1. Juli starten und einen Umfang von 500 Milliarden Euro haben.
Der ESM soll Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen und dieses Geld an pleitebedrohte Euro-Staaten weiterreichen. Dadurch können Schuldensünder günstiger an Geld kommen, als wenn sie selbst Summen am Markt aufnehmen würden.
VORHANDENE MITTEL BESSER EINSETZEN
Ob das Volumen für Notkredite ausreicht, soll der nächste EU-Gipfel im März überprüfen. Debattiert wird eine Verdoppelung des neuen ESM-Fonds auf eine Billion Euro. Merkel lehnt eine Aufstockung aber vorerst ab. Der ESM wird den derzeitigen Euro-Rettungsschirm EFSF ablösen und über ein eingezahltes Barkapital von 80 Milliarden Euro verfügen. Deutschland muss einen Anteil von rund 22 Milliarden berappen.
Der Gipfel beschloss auch, mehr für das Wirtschaftswachstum und vor allem für Arbeitsplätze junger Menschen zu machen. Dazu sollen vorhandene Mittel aus den milliardenschweren Brüsseler EU-Töpfen rascher und besser eingesetzt werden. Derzeit sind in den Strukturfonds noch 82 Milliarden Euro vorhanden, die bisher nicht für konkrete Projekte vorgesehen sind.
PORTUGAL MACHT SORGEN
Die Staaten, in denen die Jugendarbeitslosigkeit bei mindestens 30 Prozent liegt und die deswegen auf Hilfe bei der Suche nach förderungswürdigen Projekten hoffen dürfen, sind Estland, Griechenland, Italien, Portugal, Slowakei, Spanien, Lettland und Litauen.
Sorge macht auch das hochverschuldete Portugal, das wieder ins Visier der Anleger geraten ist. Die Renditen für Staatsanleihen kletterten auf die höchsten Stände seit Einführung des Euro. Der Fast-Pleitestaat erhält bereits 78 Milliarden Euro Nothilfen aus dem derzeitigen Rettungsfonds EFSF.
POLEN WILL MEHR MITREDEN
Beim Gipfel sorgte auch Polen für Ärger, das gemeinsam mit anderen Nicht-Euro-Ländern bei Entscheidungen zur Euro-Krise mehr mitreden will. Die Staaten sollen laut einem Kompromissvorschlag nun mit am Tisch sitzen können, wenn es um die Zukunft der Gemeinschaftswährung oder die Anwendung des Sparpakts (Fiskalpakts) geht. Diese Treffen sollen mindestens zweimal im Jahr stattfinden.
Die 'Chefs' wollten auch den neuen Sparpakt verabschieden, in dem sich die Unterzeichner zu strikter Haushaltsdisziplin und einer Schuldenbremse verpflichten. So soll verlorenes Vertrauen der Finanzmärkte wiedergewonnen werden. Großbritannien beteiligt sich als bislang einziges EU-Land nicht daran. Die Staats- und Regierungschefs berieten länger als ursprünglich vorgesehen.
STREIK IN BELGIEN BEHINDERT ANREISE
Ein Streik in Belgien gegen das Sparpaket der Regierung hatte am Mittag die Anreise der Gipfelteilnehmer behindert. Merkel und andere Regierungschefs landeten nicht wie gewohnt auf dem Flughafen Brüssel, sondern auf der Luftwaffenbasis Beauvechain südöstlich der Hauptstadt./cb/DP/he