BERLIN (dpa-AFX) - Die Kritik am Mindestlohn-Kompromiss der großen Koalition reißt nicht ab. Nicht nur bei Arbeitgebern und Gewerkschaften, auch bei Union und SPD gibt es weiterhin Widerstände. Bei der für Donnerstag geplanten Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag könnte es deshalb eine Reihe von Gegenstimmen aus dem Regierungslager geben.
"Der Schuss ging daneben: Wir wollen einen Mindestlohn ohne Ausnahmen", sagte die Juso-Vorsitzende Johanna Ueckermann der Deutschen Presse-Agentur. "Die geplanten Ausnahmen sind ungerecht, deshalb werden wir uns mit diesem Kompromiss nicht zufriedengeben." Vor allem die Regelungen für Jugendliche unter 18 Jahren, Langzeitarbeitslose und Praktikanten müssten nach spätestens einem Jahr nochmal auf den Prüfstand.
Nach dem Koalitionskompromiss soll es Ausnahmen und Stufenlösungen unter anderem für Erntehelfer und Zeitungszusteller geben. Auch die Gewerkschaften halten diese Ausnahmen für zu weitgehend. Verdi-Chef Frank Bsirske hatte kritisiert, mit einer Vielzahl von Ausnahmen habe die Koalition den gesetzlichen Mindestlohn "brutal amputiert".
Rückendeckung erhält Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) von der SPD-Linken. "Andrea Nahles ist es gelungen, das Gesetz sauber auf den Weg zu bringen", sagte Carsten Sieling, Sprecher der Parlamentarischen Linken (PL), der "Frankfurter Rundschau" (Dienstag). Sämtliche Ausnahmen, auf die sich die Fraktionsspitzen nun geeinigt hätten, seien befristet: "Das Gesetz und unser Ziel, Niedriglöhne künftig auszuschließen, werden dadurch nicht dauerhaft beschädigt."
Das Gesetz sieht vor, dass ab 2017 jeder Arbeitnehmer mindestens 8,50 Euro pro Stunde verdienen soll. Das stößt wiederum beim Wirtschaftsflügel der Union auf Kritik. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, verlangte, das Gesetz im Abstand von zwei Jahren zu überprüfen. Es müssten vor allem die Folgen für junge Arbeitnehmer und strukturschwache Regionen regelmäßig untersucht werden, sagte er der "Stuttgarter Zeitung" (Dienstag).
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt wertete die Debatte als Signal dafür, dass zwischen Union und SPD "der letzte Rest an Gemeinsamkeiten flöten geht". Schwarz-Rot bekämpfe sich statt gemeinsam zu regieren, sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Dienstag). "Die Große Koalition hat schon nach einem halben Jahr fertig".b