SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil sieht eine Einigung auf das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP zwischen EU und USA in weiter Ferne. "Realistisch betrachtet" werde es in der im Januar 2017 ablaufenden Amtszeit von US-Präsident Barack Obama keinen Abschluss geben, sagte Heil der "Frankfurter Rundschau" vom Mittwoch. Nach den US-Präsidentenwahlen im November sei zudem wegen der Regierungsbildung ein "längeres Moratorium" zu erwarten.
Einen Abschluss des Abkommens um jeden Preis lehnte Heil ab. "Wenn die Risiken die Chancen überwiegen, ist ein Abschluss nicht sinnvoll", sagte er. "Die Welt geht nicht unter, wenn es in diesem Jahr kein Freihandelsabkommen gibt", fügte er hinzu.
Heil kritisierte zugleich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Diese habe bei Obamas Deutschland-Besuch Ende April die Gelegenheit verstreichen lassen, "die deutsche Position zu TTIP deutlich zu machen". Er sei deswegen enttäuscht.
Enthüllungen der Umweltschutzorganisation Greenpeace über TTIP Anfang dieser Woche hatten neue Zweifel an dem Vorhaben geschürt. Greenpeace stellte geheime Verhandlungsdokumente ins Internet und erklärte mit Verweis auf die Papiere, die USA wollten europäische Schutzstandards auflösen. Die Verhandlungen müssten abgebrochen werden.
Am Dienstag drohte Frankreichs Präsident François Hollande erneut mit einer Ablehnung des Abkommens. Nach jetzigem Verhandlungsstand würde Frankreich "Nein" zu TTIP sagen, erklärte er. Laut der "Süddeutschen Zeitung" wächst auch in der EU-Kommission die Skepsis, dass eine Einigung gelingen wird.
Die EU-Kommission und die US-Regierung verhandeln bereits seit 2013 über das geplante Abkommen. Es soll der Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks einen enormen Schub geben, indem Zölle und andere Handelshemmnisse abgebaut werden. Kritiker befürchten allerdings, dass mit dem transatlantischen Freihandelsabkommen Standards im Verbraucher- und Umweltschutz gesenkt werden und die Gentechnik in Europa Einzug hält.