Bei Fiat Chrysler (MI:FCHA) geht eine Ära überraschend früh zu Ende.
Sergio Marchionne, der langjährige Chef des italienisch-amerikanischen Autokonzerns, muss sich aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen. Nach Komplikationen infolge einer Schulteroperation habe sich der Zustand des 66-Jährigen deutlich verschlechtert, teilte FCA am Samstag mit. Man befinde sich in einer Lage, die noch vor wenigen Stunden undenkbar erschienen sei, erklärte Fiat-Verwaltungsratschef John Elkann. Weitere Details zum Gesundheitszustand gab FCA nicht bekannt.
Damit bekommen Fiat Chrysler (FCA) und Ferrari (NYSE:RACE) umgehend neue Chefs. Marchionnes Nachfolger bei FCA wird der bisherige Jeep-Chef Mike Manley. Bei Ferrari übernimmt mit Louis Camilleri ein früherer Manager des Zigarettenkonzerns Philip Morris die Führung. Fiat-Verwaltungsratschef Elkann übernimmt diese Funktion auch bei dem Sportwagenhersteller. Zur Chefin des Lkw-Herstellers CNH Industrial ernannte der Aufsichtsrat Suzanna Heywood, die bisher für die Holdinggesellschaft der Industriellenfamilie Agnelli arbeitete. Alle drei Unternehmen werden von den Agnellis kontrolliert.
MARCHIONNE SOLLTE ERST IM APRIL HUT NEHMEN
Der Italo-Kanadier Marchionne galt als Workaholic und sollte eigentlich erst im April 2019 das Zepter an einen internen Nachfolger übergeben. Sein Ruf in der Branche ist legendär. "Man kann sagen, dass Sergio ein schlechter Vater ist, der nie Zeit mit seinen Kindern verbringt, aber seine Führung als Manager steht außerfrage", sagte eine Person, die mit Marchionne gearbeitet hat. "Er hat bei Fiat wahre Wunder vollbracht."
Marchionne, der oft im dunklen Pullover auftrat und von Anzügen wenig hielt, rückte vor 14 Jahren an die Spitze von Fiat und rettete die italienische Marke damals vor dem Aus. Fünf Jahre später übernahm er die insolvente US-Marke Chrysler und machte sie später zu einer Ertragsstütze für den Konzern. Dank Chrysler gelang es auch, die schwächelnde Marke Fiat über Wasser zu halten.
In den vergangenen Jahren hatte Marchionne mehrfach versucht, den Konzern mit einem größeren Konkurrenten zu verbünden. Sein Werben wurde jedoch weder von Volkswagen (DE:VOWG) noch von General Motors (NYSE:GM), Toyota (T:7203) oder Ford erhört. Deshalb soll der Konzern nun aus eigener Kraft überleben. Fiat Chrysler baute das Modellangebot um und verkauft mehr Geländewagen, die mehr Geld bringen. Zudem verordnete Marchionne Fiat Chrysler erst Anfang Juni eine neue Strategie. Der Autobauer soll stärker auf Elektroautos und autonomes Fahren setzen, um den Anschluss nicht zu verlieren.
Analysten gehen davon aus, dass Manley den Kurs weiter verfolgt. Vieles, was Marchionne auf den Weg gebracht habe, sei inzwischen tief verwurzelt, sagte Analyst George Galliers vom Investmentberater Evercore. "Deshalb gehe ich nicht davon aus, dass über Nacht alles verloren geht, was er erreicht hat."
Dennoch tritt Manley in große Fußstapfen. Fiat ist inzwischen elfmal so viel wert wie zum Amtsantritt Marchionnes. Die einst unflexible Hierarchie in dem Konzern hat er weitgehend abgebaut und durch ein leistungsorientiertes System ersetzt. Fiat Chrysler wurde zum siebtgrößten Autobauer weltweit und ist mittlerweile schuldenfrei. "Sergio Marchionnes Zeit als Chef von Fiat ist schon jetzt Legende", sagte Analyst Max Warburton von der Beratungsgesellschaft Bernstein Anfang des Jahres. Obwohl Marchionne betonte, die Zügel bei Fiat nicht länger als bis April 2019 in der Hand halten zu wollen, erschien dies einigen unvorstellbar. Chef-Investmentstratege Umberto Borghesi von Albemarle Asset Management sagte: "An dem Tag, an dem er geht, verliert die Firma ihren Reiz."