Zürich (Reuters) - Die Ära der ultratiefen Zinsen in der Schweiz dürfte nach Einschätzung von Experten noch mindestens ein Jahr andauern.
In einer am Dienstag veröffentlichten Reuters-Umfrage erwarten alle 39 Analysten, dass die Schweizer Währungshüter bei ihrer geldpolitischen Lagebeurteilung am Donnerstag das Zielband für den Referenzzins Dreimonats-Libor unverändert bei minus 1,25 bis minus 0,25 Prozent belassen. Der Strafzins, den Banken für ihre Einlagen bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zahlen müssen, dürfte bei minus 0,75 Prozent verharren. Erst im Juni kommenden Jahres rechnen einzelne Experten mit einer zaghaften Zinsanhebung. Das Gros der Analysten geht jedoch bis Ende 2018 von unverändert niedrigen Zinsen aus.
Mit den Negativzinsen, die in der Schweiz so tief sind wie kaum sonst wo auf der Welt, wollen SNB-Chef Thomas Jordan und seine beiden Direktoriumsmitglieder den aus ihrer Sicht überbewerteten Franken für Investoren unattraktiv machen. Zudem interveniert sie bei Bedarf am Devisenmarkt, um die Landeswährung zu schwächen. So hat die SNB zuletzt vor den Wahlen in Frankreich stärker am Markt eingegriffen. Aus Angst vor einem Auseinandertriften der Euro-Zone hatten viele Anleger verstärkt auf den "sicheren Hafen" Franken gesetzt, was zu einem vorübergehenden Höhenflug der Währung geführt hatte. Das ist der SNB ein Dorn im Auge, denn ein starker Franken macht Schweizer Exporte im Ausland teuer und schwächt somit die Wirtschaft. Nach dem Sieg des europafreundlichen Emmanuel Macron bei der französischen Präsidentschaftswahl verlor der Franken dann wieder an Wert. Aktuell kostet ein Euro 1,0855 Franken.
Wann und ob die SNB die Zinsen erhöht, hängt nach Einschätzung der Analysten maßgeblich vom Vorgehen der Europäischen Zentralbank ab. EZB-Präsident Mario Draghi hatte vergangene Woche einen ersten kleinen Schritt hin zum Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik signalisiert und angesichts der besseren Wirtschaftsentwicklung Abstand von einer weiteren Zinssenkung genommen. Experte Alan Mudie zufolge dürfte das auch der SNB helfen. "Die Verbesserung in der Euro-Zone nimmt etwas vom Druck auf den Schweizer Franken", sagte der Investmentstrategie-Chef der Vermögensverwaltung der Societe General zu Reuters. Zudem gingen die politischen Risiken in der Währungsunion zurück. Auch aus den USA dürfte Rückendeckung kommen. Unter Ökonomen gilt als ausgemacht, dass die amerikanische Notenbank Fed am Mittwoch die Zinsen zum zweiten Mal in diesem Jahr erhöhen wird.