- von Andreas Rinke
Berlin (Reuters) - Vor dem ersten G7-Treffen mit US-Präsident Donald Trump im Jahr 2017 hatte die Bundesregierung betont, dass ein Erfolg manchmal auch die schlichte Bewahrung des Status Quo ist.
Seither hat Trump der internationalen Ordnung aus Sicht der Europäer schweren Schaden zugefügt. Er hat beim Klima die weltweite Zusammenarbeit aufgekündigt, einen Handelskrieg gestartet und das vom UN-Sicherheitsrat beschlossene Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt. Deshalb scheint der Anspruch der Bundesregierung für den am Freitag beginnenden G7-Gipfel in Kanada noch geringer zu sein: "Wir wollen nicht hinter die Sprache zurückfallen, die wir in der Vergangenheit gemeinsam beschlossen haben", hieß es am Dienstag in der Bundesregierung.
Auch Angela Merkel gibt sich betont nüchtern: "Es hat keinen Sinn, Unterschiede beliebig zuzukleistern", sagte die Bundeskanzlerin am Mittwoch in Berlin - und schloss nicht aus, dass es wie 2017 erneut keine gemeinsame G7-Erklärung geben könnte. Schon die G7-Finanzminister aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan und Kanada schafften es vor wenigen Tagen nicht, mit dem Vertreter der Trump-Regierung eine Einigung auf ein gemeinsames Papier zu erreichen. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire sprach danach verärgert von einem "G6 plus 1", um die wachsende Distanz zu den USA unter Trump deutlich zu machen.
Doch möglicherweise wird es in Kanada noch eine ganz andere Konstellation geben - nämlich eine "G5 plus 1 plus 1". Schließlich werden Merkel und ihre Kollegen dort zum ersten Mal auf den neuen italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte treffen. Und wie sich Italiens neue populistisch-fremdenfeindliche Regierung aufstellen wird, ist auch der Bundesregierung unklar. Schließlich weicht die europa- und eurokritische Regierung in Rom in einer ganzen Reihe von Feldern wie etwa den Sanktionen gegen Russland von der bisherigen Position des Westens ab.
Dennoch hofft die Bundesregierung, dass die Europäer bei den transatlantischen Streitthemen Handel, Klima und Iran geschlossen auftreten. Denn ansonsten könnte das Treffen in Charlevoix zu einem politischen Gemetzel der westlichen Welt nach dem Motto "jeder gegen jeden" verkommen. Denn auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kritisiert gerne wie Trump den deutschen Export-Überschuss. Angesichts der deutschland-kritischen Haltung der neuen italienischen Regierung ist nicht ausgeschlossen, dass auch Conte in ein "Germany-Bashing" einstimmen könnte.
DER LETZTE G7-GIPFEL?
Dabei hat sich die kanadische G7-Präsidentschaft Mühe gegeben, neben den Standartthemen wie Weltwirtschaft und Handel sowie außenpolitischen Themen beim Abendessen auch andere Probleme auf die Agenda zu setzen: Dazu gehören bessere Bildungschancen für Mädchen und der Kampf gegen Gewalt gegen Frauen und Mädchen im Internet. Ein weiteres Schwerpunktthema bei den Diskussionen der Chefs soll die zunehmende Verschmutzung der Ozeane sein. In diesen Felder sollte es möglich sein, dass sich auch Trump zu gemeinsamen Erklärungen mit seinen Nato-Partnern und Japan hinreißen lässt.
Aber gemessen werde der Gipfel eben letztlich daran, dass man als westliche Wertegemeinschaft auch zu dem stehe, was man früher für richtig befunden habe, heißt es warnend in der Bundesregierung. Doch weil das transatlantische Verhältnis derzeit so schwierig ist, wird besonders deutlich betont, dass die G7 doch immer noch eine Wertegemeinschaft in außen- und sicherheitspolitischen Fragen sei. Wie groß die Krise ist, zeigt allerdings schon der Umstand, dass sich die Regierung erstmals Fragen stellen lassen muss, ob dies möglicherweise der letzte G7-Gipfel gewesen sein könnte.
Noch vor Monaten wäre dies als absurd empfunden worden. Aber die Verunsicherung durch das Vorgehen des US-Präsidenten und die Erfolge von populistischen Politikern in anderen Ländern sitzt tief. Plötzlich erscheint sogar die britische Premierministerin Theresa May, die immerhin ihr Land aus der EU führen will, als moderate Politikerin. Denn Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow bekräftigte am Mittwoch, dass der US-Präsident nicht nachgeben wolle. Dann stellte er nebenbei die internationale Nachkriegs-Ordnung infrage, als er betonte, dass sich die US-Regierung nicht durch internationale Organisationen binden lassen werde. Es werde "sehr, sehr offene Gespräche" geben, sagte daraufhin der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau dem Sender Global TV mit Blick auf Trump.
Gerade in schwierigen Zeiten sei Dialog aber besonders wichtig, wird die Bedeutung des Treffens in Berlin unterstrichen. Merkel will die existierende internationale, multilaterale Ordnung nicht kampflos aufgeben. Schließlich biete sich auch die Gelegenheit zu vielen bilateralen Treffen - etwa dem ersten zwischen Merkel und Conte, heißt es. "Es gibt keinen Teilnehmer bei G7, bei dem die Kanzlerin das Gespräch von vorneherein für aussichtslos halten würde", wird als Beruhigung hinterhergeschoben. Nach Hoffnung auf eine nach vorne gerichtete G7-Agenda klingt das allerdings nicht. Dazu passt, dass Merkel diesmal auch ihren Mann Joachim Sauer nicht mit zu einem möglicherweise rauen G7-Treffen nehmen wird.