Berlin (Reuters) - Nach einem leichten Dämpfer hoffen die deutschen Versicherer 2017 auf etwas mehr Beitragseinnahmen.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) stellte am Donnerstag ein Wachstum von mindestens einem Prozent in Aussicht. Wegen des schwächelnden Geschäfts in der Lebensversicherung stiegen die Einnahmen im vergangenen Jahr nur minimal um 0,2 Prozent auf gut 194 Milliarden Euro, so schwach wie seit 2011 nicht mehr. Das Ergebnis entspreche den Erwartungen in der Niedrigzinsphase und zeige den Wandel der Branche, sagte GDV-Präsident Alexander Erdland in Berlin. Viele Lebensversicherer täten sich schwer mit dem Aufbau der vorgeschriebenen Kapitalpuffer, die die niedrigen Zinsen abfedern sollen. "Wir werden das aber stemmen."
Wegen der niedrigen Zinsen bläst derzeit vor allem den Lebensversicherern ein scharfer Wind ins Gesicht. So verlieren klassische Produkte mit lebenslangen Garantien für die Kunden an Attraktivität. Zugleich haben die Versicherer Probleme, die Renditen zu erwirtschaften, die sie den Kunden einst versprochen haben. Viele rücken deshalb von langfristigen Zinsversprechen ab und bieten zunehmend Produkte mit befristeten Garantiezusagen an. Diese Policen machten im vergangenen Jahr bereits 46 Prozent des Neugeschäfts aus, nach 37 Prozent 2015. "Vom Markt und von den Kunden wird das sehr gut angekommen, auch wenn einzelne Verbraucherschützer meckern", sagte Markus Faulhaber, der Chef von Allianz (DE:ALVG) Leben.
EINNAHMEN IN DER LEBENSVERSICHERUNG GEHEN ERNEUT ZURÜCK
Dennoch sanken in der Lebensversicherung die Einnahmen um 2,2 Prozent und damit das zweite Mal in Folge. Für dieses Jahr erwartet der GDV erneut ein Minus von 0,5 Prozent. Um die Garantien einhalten zu können, zwingt die Finanzaufsicht BaFin die Lebensversicherer zu milliardenschweren Rückstellungen, der Zinszusatzreserve. Den Firmen falle es zunehmend schwerer, diesen Puffer aufzubauen, sagte Erdland. Im vorigen Jahr seien es 13 Milliarden Euro gewesen, insgesamt bereits 45 Milliarden. Doch überfordert sei kein Versicherer: "In diesem Zusammenhang gehen wir nicht von einem Fall aus, der in die Knie geht."
Positiv steht der Verband dem neu entstehenden Markt für die Abwicklung von Lebensversicherungen gegenüber. Die Kunden könnten davon durch sinkende Verwaltungskosten profitieren. Die Finanzaufsicht BaFin hatte jüngst grünes Licht gegeben, dass der chinesische Investor Fosun Leben- und Renten-Policen der Basler Leben übernehmen kann. Die Behörde achtet bei der Übertragung von Beständen akribisch darauf, dass die Kunden dabei finanziell nicht schlechter gestellt werden als unter dem bisherigen Anbieter.
BREXIT IN DER BRANCHE KEIN GROSSES THEMA
Eine Welle von Fusionen erwartet Erdland nicht. Eher werde der Strukturwandel zu mehr Kooperationen führen. Stark wachsende Umsätze peilt die Assekuranz mit Policen an, mit denen sich Unternehmen gegen Hacker-Attacken absichern können. "Längst ist auch die mittelständische Wirtschaft in den Fokus der digitalen Gangster gerückt", sagte Erdland.
Der bevorstehende EU-Austritt Großbritanniens lässt die Versicherer weitgehend kalt. Die Branche sei dort nur mit 29 Milliarden Euro engagiert, dies seien rund 3,8 Prozent aller Kapitalanlagen, sagte Erdland. "Die unmittelbare Betroffenheit ist überschaubar."