Der Tech-Unternehmer Pawel Durow wurde einst als "russischer [Mark] Zuckerberg" bezeichnet. Er ist der Mitbegründer der sozialen Netzwerke Telegram und VKontakte und einer Kryptowährung.
Am Wochenende wurde der 39-Jährige auf einem Flughafen in der Nähe von Paris verhaftet. Nach offiziellen Angaben wurde der Milliardär aufgrund eines Haftbefehls wegen Straftaten im Zusammenhang mit der beliebten Messaging-App Telegram verhaftet. Bei den Ermittlungen geht es Berichten zufolge um mangelnde Moderation von Inhalten. Durow wird vorgeworfen, keine Maßnahmen ergriffen zu haben, um die kriminelle Nutzung von Telegram einzudämmen.
Französische Ermittler erließen deshalb einen Haftbefehl gegen ihn wegen des Verdachts auf Cybermobbing, Betrug, Drogenhandel, organisiertes Verbrechen und Förderung des Terrorismus auf seiner Plattform.
Durow verlässt seine Heimat
Der in Sankt Petersburg geborene Unternehmer feiert in zwei Monaten seinen 40. Geburtstag. Sein erster Social-Media-Auftritt war im Alter von 22 Jahren mit VKontakte (VK), einer von ihm mitbegründeten Plattform für russischsprachige Nutzer, die laut der Nachrichtenagentur AFP in dem Land beliebter war als das US-amerikanische Facebook.
Er verließ Russland jedoch 2014, nachdem er sich geweigert hatte, den Forderungen der russischen Regierung nachzukommen, oppositionelle Gruppen auf VKontakte zu schließen und persönliche Daten an den russischen Sicherheitsdienst FSB zu übermitteln. Dazu gehörte auch die Forderung, das Konto des verstorbenen russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny zu sperren.
Später verkaufte er VKontakte und postete "So long and thanks for all the fish", ein Titel aus dem Science-Fiction-Roman "The Hitchhiker's Guide to the Galaxy".
"Ich möchte lieber frei sein, als von irgendjemandem Befehle anzunehmen", sagte Durow in einem Interview mit dem US-Journalisten Tucker Carlson im April. In demselben Interview sagte er auch, dass er keinen Besitz wie Immobilien oder Boote habe. Sein Vermögen würde lediglich aus Geld und Bitcoin bestehen.
Telegram
Im Jahr 2013 gründete er zusammen mit seinem Bruder Nikolai die beliebte App Telegram, eine kostenlose Plattform, die sich für den Schutz von Nutzerdaten einsetzt und mit anderen Plattformen wie WhatsApp, Instagram, TikTok und WeChat konkurriert.
Der Dienst erlaubt es jedem, Videos, Bilder und Kommentare von Nutzern in sogenannten "Kanälen" oder Gruppen zu verfolgen, wobei die Daten der Nutzer durch Verschlüsselung geschützt sind. Es gibt auch private "Kanäle", bei denen der Administrator der Gruppe das Recht hat, zu überprüfen, wer seine Beiträge sehen kann.
Durow hat sich stets geweigert, Nachrichten auf Telegram zu moderieren und es als "freie" Plattform zu bewerben.
Im Jahr 2018 ordnete ein Moskauer Gericht die Sperrung von Telegram an. Dies erwies sich jedoch als erfolglos, da Demonstranten das FSB-Hauptquartier umzingelten und Papierflugzeuge, ein Symbol von Telegram, warfen.
Demonstranten bei einer Demonstration gegen die Sperrung von Telegram. Dmitri Lovetsky/Copyright 2018 The AP. All rights reserved.
Telegram wurde letztendlich in Russland nicht gesperrt. Die Plattform wird auch von der russischen Regierung verwendet, so veröffentlicht das russische Verteidigungsministerium täglich mehrmals Updates zu Russlands Krieg gegen die Ukraine auf Telegram.
Telegram wird zudem von Oppositionsgruppen auf der ganzen Welt genutzt, die nicht wollen, dass ihre Daten oder Nachrichten kompromittiert werden. Bei Russlands völkerrechtswidrigen Einmarsch in die Ukraine im Jahr 2022 war Telegram eine wichtige Informationsplattform für beide Länder.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nutzt Telegram neben Plattformen wie X, um seine täglichen Videoansprachen zu veröffentlichen. Die App ist auch bei den sogenannten pro-russischen "Z-Militärbloggern" beliebt.
In den vergangenen Jahren hat sich Telegram zu einer Plattform für Extremisten und Verschwörungstheoretiker entwickelt. Einige Gruppen, die bis zu 200.000 Mitglieder zulassen, haben die Verbreitung von Desinformationen erleichtert und umfassen auch Neonazi-Gruppen und Gruppen für Pädophile.
Durows Privatleben
Nachdem er Russland verlassen hatte, erhielt Durow laut russischen Medienberichten die Staatsbürgerschaft der Karibikinsel St. Kitts und Nevis, nachdem er 250.000 Dollar (223.000 Euro) für die Zuckerindustrie des Landes gespendet hatte.
Im August 2021 erhielt er die französische Staatsbürgerschaft, die er laut Durow aus Spaß beantragt hatte, nachdem sein Assistent ihm geraten hatte, sich mit dem Namen "Paul Du Rov" zu bewerben. Die Umstände, unter denen er den französischen Pass erhalten hat, bleiben ein Rätsel. Die französischen Behörden haben sich bislang nicht dazu geäußert.
Er hat auch die emiratische Staatsbürgerschaft und lebt in Dubai, wo Telegram seinen aktuellen Sitz hat.
Durow hat laut Forbes ein geschätztes Nettovermögen von etwa 15,5 Milliarden Dollar (14 Milliarden Euro) und steht damit auf Platz 121 der reichsten Menschen der Welt.
Auf diesem Foto vom Samstag, 19. Mai 2012, sitzt Pavel Durov in einem Café auf dem Roten Platz in Moskau, Russland. Roman Kulik/AP
Durow gibt selten Interviews. Auf seinem Telegram-Kanal gibt er jedoch an, dass er ein "einsames Leben führt" und weder Fleisch noch Alkohol oder Kaffee konsumiert.
Er behauptet auch, dass er dank seiner Samenspenden in einem Dutzend Ländern der biologische Vater von mehr als 100 Kindern ist. Dies bezeichnet er als eine "Bürgerpflicht".
Warum wurde er verhaftet?
Französische Ermittler haben einen Haftbefehl gegen ihn erlassen, weil ihm Cybermobbing, Betrug, Drogenhandel, organisierte Kriminalität und die Förderung des Terrorismus auf seiner Plattform vorgeworfen werden. Ihm wird vorgeworfen, keine Maßnahmen ergriffen zu haben, um die kriminelle Nutzung seiner Plattform zu verhindern.
"Genug der Straflosigkeit von Telegram", sagte ein Ermittler laut dem Guardian, der sich auch darüber wunderte, dass Durow nach Paris flog, obwohl er wusste, dass er gesucht wurde.
Durow hat in der Vergangenheit gesagt, dass Telegram auf jede Aufforderung, Inhalte zu entfernen, die zu Gewalt oder Mord aufrufen, reagiert. "Telegram hält sich an die EU-Gesetze, einschließlich des Digital Services Act - seine Moderation entspricht den Industriestandards und wird ständig verbessert", so Telegram in einer Erklärung am Sonntagabend.
"Der CEO von Telegram Pavel Durow hat nichts zu verbergen und reist häufig nach Europa. Es ist absurd zu sagen, dass eine Plattform oder ihr Eigentümer für den Missbrauch dieser Plattform verantwortlich ist. Wir erwarten eine rasche Klärung dieser Situation".
Unterdessen warfen die russischen Behörden Frankreich vor, "die Zusammenarbeit zu verweigern". Die russische Botschaft in Paris hat um Zugang zu Durow gebeten und erklärt, Frankreich habe sich in dieser Situation bisher "nicht engagiert".
Wie geht es jetzt weiter?
Wie der Guardian unter Berufung auf eine mit den Ermittlungen vertraute Quelle berichtet, wurde seine Haftzeit über den Sonntag hinaus verlängert. Das bedeutet, dass die anfängliche Vernehmung bis zu 96 Stunden dauern kann. Der Richter kann dann entscheiden, ihn freizulassen oder Anklage zu erheben und ihn in Untersuchungshaft zu nehmen.
