London (Reuters) - Der rekordniedrige Leitzins in Großbritannien ist wohl bald Geschichte.
Angesichts der Wirtschaftsentwicklung sei eine leichte Erhöhung in "relativ kurzer Frist" zu erwarten, sagte Notenbankchef Mark Carney am Freitag im BBC-Hörfunk voraus. Die Mehrheit im geldpolitischen Ausschuss der "Bank of England" (BoE) habe hierzu jüngst bereits ein unmissverständliches Signal gegeben. Die Notenbank unternehme etwas, um Risiken für die Wirtschaft zu mindern. Die meisten Experten erwarten, dass die BoE am 2. November das Leitzinsniveau um einen Viertel Prozentpunkt auf 0,5 Prozent anheben wird.
Die einst vor Kraft strotzende Wirtschaft der Insel ist im Frühjahr so langsam gewachsen wie seit 2013 nicht mehr. Das Bruttoinlandsprodukt legte nur um magere 0,3 Prozent zu. Die Euro-Zone schaffte hingegen eine doppelt so hohe Wachstumsrate. Die britische Wirtschaft wurde insbesondere durch das Votum für einen EU-Austritt vom Sommer 2016 kalt erwischt: Die Landeswährung Pfund wertete deutlich ab, was Importe verteuert und damit die Preise nach oben treibt. Dies nagt an der Kaufkraft der Briten, da die Löhne nicht mit der Inflation Schritt halten.
HÄUSERPREISE IN LONDON SINKEN
Die Folgen sind auch am Immobilienmarkt zu besichtigen: Die Häuserpreise in London sind einer Studie zufolge erstmals seit acht Jahren gesunken. Im September lagen sie durchschnittlich um 0,6 Prozent unter dem Niveau des Vorjahresmonats, wie die Bausparkasse Nationwide mitteilte. Damit ist die Finanzmetropole erstmals seit 2005 die Region mit der schlechtesten Entwicklung auf der Insel. Landesweit zogen die Immobilienpreise um 2,0 Prozent an. Das war der geringste Zuwachs seit mehr als vier Jahren.
Falls die Höchstgeschwindigkeit der Wirtschaft im Zuge des anstehenden Brexit abgenommen habe, müsse auch die Notenbank "ein wenig den Fuß vom Gas nehmen", sagte Carney. Zudem betonte er, eine Übergangsphase beim Brexit sei sowohl im Interesse Großbritanniens als auch der übrigen EU-Staaten. Für die Zeit nach dem 2019 angepeilten EU-Austritt strebt Premierministerin Theresa May eine zweijährige Übergangsphase an.
In dieser Zeit solle es Großbritannien und der EU weiter möglich sein, ohne Hürden Handel zu treiben. Die britische Regierung will möglichst bald über eine solche Phase nach dem Brexit und ein Freihandelsabkommen mit der EU reden, um Nachteile für die heimische Wirtschaft abzufedern. Zum Abschluss der jüngsten Brexit-Verhandlungsrunde in Brüssel hatten EU und Großbritannien am Donnerstag ihre unterschiedlichen Bewertungen zu Protokoll gegeben. Während der britische Brexit-Minister David Davis von beträchtlichen Fortschritten sprach, bezeichnete EU-Chefunterhändler Michel Barnier die Gespräche lediglich als konstruktiv, nach denen man in einigen Punkten klarer sehe.