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Börse Frankfurt-News: Die Arbeitslosigkeit in Spanien (Hüfners Wochenkommentar)

Veröffentlicht am 24.07.2013, 16:28
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 24. Juli 2013. Martin Hüfner relativiert die schlechten Nachrichten über den Zustand der spanischen Volkswirtschaft - auch im Hinblick auf mögliche Chancen für Anleger.

Manchmal ist es ganz gut, sich Zahlen genauer anzu­schauen, bevor man sie kommentiert. Dann zeigt sich, dass bestimmte gängige Vorstellungen oft doch nicht ganz der Wahrheit entsprechen. Das habe ich erlebt, als ich mir in diesen Tagen die Arbeitslosenstatistik in Spanien angesehen habe.

Überall steht zu lesen, dass in Spanien jeder zweite Jugendliche arbeitslos ist. Das ist schlimm, nicht nur für die Betroffenen. Es ist auch ein Problem für den Frieden und den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Am schlimmsten ist es für die Zukunftsperspektive des Landes. Wie will ein Staat wieder auf die Beine kom­men, wenn jeder zweite Jugendliche das traumatische Erlebnis hat, über Jahre hinaus keiner sinnvollen Tätig­keit nachgehen und sich nicht selbst ernähren zu kön­nen? Das stellt auch die Ratio der Politik zur Krisen­überwindung in Frage. Denn wenn die Konsolidierungs- und Reformpolitik die Menschen so demotiviert, ver­schlechtern sich die Angebotsbedingungen und es gibt noch weniger Aussicht auf Besserung.

Aber ist das wirklich so? In der Grafik habe ich die Ent­wicklung der Arbeitslosigkeit in Spanien dargestellt. Die gesamte Unterbeschäftigung ist seit 2007, also vor dem Beginn der Krise, von 8,3 Prozent auf 25,2 Prozent angestiegen. Ein Niveau von 8 Prozent bis 10 Prozent muss man in Spanien an­gesichts der vielen Strukturprobleme als Vollbeschäf­tigung anse­hen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in dieser Zeit von 18,2 Prozent auf 53,2 Prozent hochgeschnellt. Junge Frauen und Männer im Alter von 15 bis 24 Jahren waren von der Krise also überdurchschnittlich stark betroffen.

Wenn man sich diese Zahl näher anschaut, dann zeigen sich freilich Probleme. Sie enthält nämlich nicht nur die wirklich Arbeitslosen, sondern auch die Jugendlichen, die noch in die Schule oder die Universität gehen oder die eine betriebliche oder sonstige Ausbildung machen. Sie müssten, um das wirkliche Bild des Problems zu erfassen, herausgerechnet werden. In der Bildungsöko­nomie gibt es den Begriff der 'NEET's' (not in employ­ment and not in education or training). Es sind die jun­gen Leute, die weder eine Arbeit haben noch sich in Ausbildung befinden. Sie sind die eigentlichen Jugend­arbeitslosen.

Die OECD, eine internationale Institution, die sicher nicht in dem Verdacht steht, Statistiken zu 'schönen', hat dazu Zahlen vorgelegt. Es zeigt sich, dass die Quote der NEET's wesentlich geringer ist. Sie belief sich 2011 auf 21 Prozent, nicht einmal die Hälfte der gesamten Jugend­arbeitslosigkeit. Bemerkenswert ist, dass der Abstand der Quote der Jugendarbeitslosen und der NEET's in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Das zeigt, in welchem Umfang die Spanier in der Krise zu­sätzliche Aus- und Weiterbildungsangebote mobilisiert haben, um Jugendlichen eine Beschäftigung zu geben und sie 'von der Straße zu holen'.

Damit ist die Geschichte aber noch nicht zu Ende. Bei den jugendlichen Arbeitslosen sind ebenso wie bei den Gesamtarbeitslosen vor allem die Langzeitarbeitslosen das Problem. Sie drohen, die Zukunftsperspektive zu verlieren und zu einer verlorenen Generation zu werden. Wer nur ein paar Monate arbeitslos ist, regeneriert sich normalerweise relativ schnell. Ich kenne leider keine Statistik zu den langzeitarbeitslosen Jugendlichen in Spanien. Wenn man sich an der Zusammensetzung der gesamten Arbeitslosen orientiert (bei der die Langzeit­arbeitslosen etwa die Hälfte der Gesamtzahl ausma­chen), dann dürfte die Quote der Langzeitarbeitslosen NEET's bei 10 Prozent bis 15 Prozent liegen. Das ist schon eher erträglich.

Ich will das Problem damit nicht klein reden. Wenn 10 Prozent bis 15 Prozent aller Jugendlichen mehr als ein Jahr arbeitslos sind, dann muss man das ernst nehmen. Die Krise trifft Spanien - wie andere südeuropäische Länder - hart. Aber es ist nicht so schlimm, wie es oft dargestellt wird. Es ist auch nicht so, dass es die Zukunftsvision des Lan­des und damit die Ratio der Krisenbekämpfung durch Konsolidierung und Reformen in Frage stellt.

Spanien hat in den letzten Jahren außerordentliche Fort­schritte bei der Wiedergewinnung der Wettbewerbsfä­higkeit gemacht. Es hat seine Lohnstückkosten relativ gegenüber den anderen Ländern des Euroraumes um 5 Prozent reduziert. Die Exporte stiegen im April preisbereinigt um 16,3 Prozent. Nach den vorliegenden Prognosen ist damit zu rechnen, dass die Rezession in Spanien in diesem Jahr zu Ende geht. 2014 könnte es wieder Wachstum geben.

Es gibt sogar schon Beobachter, die die Lage Spaniens heute mit der Deutschlands im Jahre 2004 vergleichen. Damals befand sich die Bundesrepublik noch mitten im Reformprozess. Ein Ende der Krise und ein Aufschwung (wie er 2006/2007 tatsächlich eintrat) wurden nur von unverbesserlichen Optimisten vorhergesagt. Es könnte sein, dass das in Spanien ähnlich verläuft. Dann könnte Spanien das 'neue Deutschland' werden. Ich traue mich nicht, das zu beurteilen. In jedem Fall ist aber nicht zu bestreiten, dass das Land eine funktionierende Industrie und gut ausgebildete Arbeitnehmer besitzt. Wenn die Krise nicht zu lange dauert, werden sie sich motiviert auf einen Aufschwung stürzen.

Für den Anleger

Diese Perspektive müsste sich auch auf dem spani­schen Kapitalmarkt auswirken. Die Kapitalmarktzinsen sind mit 4,60 Prozent relativ hoch und haben noch Spielraum nach unten. Der Aktienindex IBEX notierte vor der Krise bei fast 16.000 Punkten. Er liegt inzwischen bei rund 8.000 (zwischenzeitlich war er sogar bis auf beinahe 6.000 gefallen). Hier ist also erhebliches Potenzial, wenn sich Spanien erholt. Ein Belastungsfaktor sind freilich die politischen Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Ministerpräsidenten. Gäbe es eine Regierungskrise, wä­re das zunächst ein Rückschlag.

Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.

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© 24. Juli 2013 /Martin Hüfner

Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon. Viele Jahre war er Chefvolkswirt der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG und Senior Economist der Deutschen Bank AG. Er leitete fünf Jahre den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung in Brüssel. Zudem war er über zehn Jahre stellvertretender Vorsitzender beziehungsweise Vorsitzender des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Bundesverbandes Deutscher Banken und Mitglied des Schattenrates der Europäischen Zentralbank, den das Handelsblatt und das Wallstreet Journal Europe organisieren. Dr. Martin W. Hüfner ist Autor mehrerer Bücher, unter anderem 'Europa - Die Macht von Morgen' (2006), 'Comeback für Deutschland' (2007), 'Achtung: Geld in Gefahr' (2008) und 'Rettet den Euro!' (2011)

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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