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Börse Frankfurt-News: Gedrückte Stimmung in der Finanzindustrie (Huefner)

Veröffentlicht am 11.06.2014, 18:03
Aktualisiert 11.06.2014, 18:06

FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 11. Juni 2014. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Vorige Woche nahm ich an der Frühjahrstagung des Institutes of International Finance in London teil. Die Stimmung war dort deutlich pessimistischer als an den Finanzmärkten in diesen Wochen. Was hat das zu bedeuten?

Das hatte ich so nicht erwartet. Die Finanzmärkte boo­men, das Wirtschaftswachstum zieht in vielen Industrie­ländern an, der Höhepunkt der Finanz- und Wirtschafts­krise liegt sechs Jahre zurück. Und wie ist die Stimmung in der Finanzindustrie? Weit weg von Optimismus und eher vorsichtig und zurückhaltend.

In der vorigen Woche trafen sich in London über tau­send Vertreter von Banken, Versicherern und Asset Ma­na­gern aus allen Teilen der Welt anlässlich der Früh­jahrstagung des Institutes of International Finance. Die­se Tagungen sind immer ein gutes Thermometer für die Gefühlslage der Finanzindustrie.

Die US-Amerikaner beschweren sich über das niedrige Wachstum und die hohe Arbeitslosigkeit. Die Volkswirt­schaft bewegt sich in einer "2 Prozent-Welt". Mal liegt das Wachstum etwas darunter. Mal ist es etwas höher. Aber an frühere Raten von 3 bis 4 Prozent kommt es nicht mehr heran. In Europa sieht die "neue Normalität" noch etwas schlechter aus. Es ist nur eine "1 bis 1,5 Prozent-Welt". In den Schwellen- und Entwicklungsländern gibt es viele Probleme.

Man kann das Bild mit dem halbleeren und halbvollen Glas beschreiben. Die Banker haben derzeit den Ein­druck, dass das Glas halbleer ist. Es ist schwer, sich daraus einen Reim zu machen. Liegt es daran, dass Banker eine bessere Einsicht in die Weltwirtschaft ha­ben? Oder drücken vielleicht die regulatorischen Belas­tungen und die nicht so befriedigende Ertragslage vieler Banken und Versicherungen auf die Stimmung? In jedem Fall ist eine solche Stimmung für die weitere kon­junkturelle Erholung der Welt nicht hilfreich.

Wer aus diesem Raster herausfällt ist Großbritannien. Dort hat sich die Situation vor einem Jahr ganz unerwar­tet und ohne einen besonderen Anlass um 180 Grad ge­dreht. Viele Jahre dümpelte das Wachstum mit niedrigen Raten dahin, jetzt liegt es mit einem Mal bei über 3 Prozent.

Der frühere Chefvolkswirt von Goldman Sachs, Gavin Davies, zog daraus die Schlussfolgerung: Manchmal reicht eine kleine psychologische Besserung, um den großen Tanker einer Volkswirtschaft zu bewe­gen.

Er zog daraus keine expliziten Folgerungen für andere Länder. Aber auch im Euroraum könnte so etwas natür­lich passieren, wenn wieder Vertrauen einkehrt.

Der Chef der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, wies darauf hin, dass dies weder durch die Geldpolitik noch durch die Konsolidierung der Staatsfinanzen allein erreicht werden könnte. Notwendig sei vielmehr eine Re­formpolitik. Sie muss den Ausbau der Banken­union, die Liberalisierung des Dienstleistungsbereiches, die Flexi­bilisierung des Arbeitsmarktes und eine Sen­kung der Steuern enthalten. Die größte Sorge Dijsselbloems der­zeit ist, dass die Reformbereitschaft unter dem Eindruck ei­nes etwas besseren Wachstums nachlässt.

Zur Skepsis für die Umsetzung der Reformpolitik kann auch das Ergeb­nis der Wahlen zum Europaparlament beitragen. Auf der Konferenz wurde die Sorge geäußert, dass die Politiker jetzt erst einmal das machtpolitische Durcheinander zwi­schen den verschiedenen Institutio­nen in Brüssel ordnen müssten. Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Währenddessen werden die anste­henden Finanz- und Wirtschaftsprobleme eher nach hinten geschoben.

Zu den neuen Maßnahmen der Europäischen Zentral­bank waren die Ansichten geteilt. Überall hörte man die Meinung, dass die EZB klug und couragiert gehandelt habe. Was die Maßnahmen im Einzelnen anging, war aber viel Skepsis zu hören. Die Zinssenkung werde die Wirtschaft nicht zu größeren Ausgaben und Investitionen bewegen. Das neue TLTRO-Programm werde - wie sein Vorgänger - von den Banken eher zu Staatsanleihekäu­fen genutzt und nicht - wie von der EZB gewünscht - zur Kreditgewährung an Haushalte und Unternehmen. Die angekündigte Ausweitung der Liquidität sei nicht nö­tig. Hilfreich könnten allenfalls die angekündigten Käufe von ABS-Papieren kleiner und mittlerer Unternehmen sein.

Das weiß natürlich auch die EZB. Worauf sie vielleicht setzt, ist ein psychologischer Effekt ähnlich wie im Sommer 2012 nach den berühmt gewordenen Worten Draghis zur Rettung des Euros ("Whatever it takes ..."). In London trug der Vizepräsident der EZB, Vitor Con­stan­cio, das neue Acht-Punkte-Programm so über­zeu­gend vor, dass auch manche Skeptiker zweifelnd wur­den. Es machte den Eindruck, dies sei Teil einer sorg­fältig ge­planten Kommunikationsoffensive.

Interessant die Aussagen auf der Konferenz zu Indien. Der Turnaround in dem Land im Zusammenhang mit der Wahl Narendra Modis zum Ministerpräsidenten könnte nicht nur die Lage in Indien selbst verändern, sondern auch das geopolitische Bild in Ostasien. China fällt zu­rück, Indien könnte das neue China werden. Das Wachstum in Indien wird nach Schätzungen der Exper­ten bereits nächstes Jahr von jetzt 4 auf 6 bis 8 Prozent steigen. Das könnte ein neuer Recovery Trade für inter­national orientierte Investoren sein.

Für Anleger

Das wichtigste Ergebnis der Konferenz ist aus meiner Sicht die gedämpfte Stimmung hinsichtlich der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung. Wenn sie richtig ist und sich die Konjunktur nicht so beschleunigen sollte, wie das in vielen Prognosen angenommen wird, dann fehlt den steigenden Aktienkursen die realwirtschaftliche Ba­sis. Dann wird die Bewertung der Märkte schlechter. Die Gefahr einer Blase steigt. Darüber wurde interessanter­weise in London aber nicht diskutiert.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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