FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 7. Februar 2013. Martin Hüfner befasst sich in dieser Woche mit der deutlichen Abwertung des Yen, inwieweit diese konjunkturell gerechtfertigt ist und welche Chancen sich Anlegern bieten.
Die Abwertung des japanischen Yen belastet zunehmend den Handel mit dem fernöstlichen Land. In den letzten sechs Monaten hat sich der Euro um über 30 Prozent gegenüber dem Yen aufgewertet, der US-Dollar um 19 Prozent, der chinesische Renminbi um 21 Prozent. Das sind gewaltige Verschiebungen in kurzer Zeit. So etwas sieht man selten. Es ist daher nicht überraschend, dass das Wort Währungskrieg auftauchte. Sind die Veränderungen durch die vorherige jahrelange Aufwertung der japanischen Währung gerechtfertigt? Oder verschaffen sich die Japaner hier einen ungerechtfertigten Handelsvorteil?
Zunächst: Das Stichwort Währungskrieg fällt nicht nur im Zusammenhang mit den Japanern. Aufgebracht haben es die Brasilianer. Sie wehren sich gegen die niedrigen Zinsen in den USA und Europa, die die Währungen der Schwellenländer nach oben treiben. In Europa hat sich in letzter Zeit vor allem der Schweizer Franken abgewertet. Das britische Pfund ist nach der Rede Camerons über einen möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU schwächer geworden. Umgekehrt hat sich der Euro aufgewertet. Der bisherige Chef der Eurogruppe, Jean Claude Juncker, sprach schon von einer 'gefährlich hohen' Bewertung.
Der Fall Japan ist freilich der Wichtigste. Hier ist die Abwertung am größten. Auf den ersten Blick, aber nur auf den ersten Blick, haben die Japaner insgesamt gute Karten. Sie können darauf verweisen, dass die jüngste Abwertung nur eine Korrektur einer vorherigen Markübertreibung ist. Über die letzten 40 Jahre gesehen (siehe Grafik) sieht der Yen zu dem aktuellen Wechselkurs ganz ordentlich bewertet aus. Tokyo kann auch sagen, dass sich die japanische Wirtschaft schon seit Jahren schlechter entwickelt als die amerikanische oder die europäische. Ihr Wachstum war in den letzten zwölf Jahren im Schnitt nur halb so hoch wie das in den USA und ein Drittel niedriger als das in Europa. Es gab Deflation mit für Japan hoher Arbeitslosigkeit. Dazu passt eigentlich keine Aufwertung.
Die Japaner haben zudem ihren Leistungsbilanzüberschuss abgebaut. Er lag vor sechs Jahren, also vor dem Beginn der Subprime-Krise, noch bei 4,9 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Inzwischen beträgt er weniger als 2 Prozent. Die japanischen Kapitalmarktzinsen sind niedriger als die in den USA oder in Europa. Das führt zu Carry Trades in Länder mit höheren Renditen, z. B. Aufnahme von Krediten in Japan und Anlage zum Beispiel in Australien oder Südafrika.
Im Übrigen können die Japaner auch noch darauf verweisen, dass sich der Yen langfristig sehr viel mehr aufgewertet hat, als das etwa beim Euro der Fall war. Wenn die europäische Gemeinschaftswährung sich in den letzten 40 Jahren gegenüber dem Dollar wie der Yen entwickelt hätte, dann stünde der Euro-/Dollarkurs heute nicht bei 1,35. Er wäre bei über 2 Dollar je Euro. Freilich war der Yen-Kurs vor 40 Jahren kein richtiger Marktkurs.
Schließlich können sich die Japaner auch auf das Beispiel der Schweiz berufen. Dort gab es eine starke Aufwertung des Franken. Sie war durch keine guten Worte zu stoppen. Die Notenbank musste eingreifen und hat den Wechselkurs mit massiven Devisenmarktinterventionen auf einem gerade noch tragbaren Niveau stabilisiert. Niemand hat der Schweiz damals einen Währungskrieg vorgeworfen. Im Gegenteil, die meisten hatten Verständnis, dass die Schweizer Wirtschaft keine weitere Aufwertung mehr verkraften würde.
Das ist freilich nur die eine Seite der Medaille. Die andere sieht ganz anders aus und liegt nicht so offen zu Tage. Die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes hängt nicht nur von den Wechselkursen ab, sondern auch vom Verhältnis der relativen Preise. Seit dem Jahr 2000 sind die Preise auf der fernöstlichen Insel um über 30 Prozent weniger gestiegen als in Europa. Das hat den exportierenden Unternehmen Nippons entsprechend geholfen. Ihre Kosten sind weniger als die ihrer Konkurrenten gestiegen.
Ökonomisch kommt diese Inflationsdifferenz einer Abwertung gleich. Vergleicht man das mit der nominellen Aufwertung des Yen gegenüber dem Euro um insgesamt 25 Prozent in dieser Zeit, so zeigt sich, dass die japanische Währung real, also unter Berücksichtigung der Inflationsdifferenz, nicht aufgewertet, sondern abgewertet wurde.
Der nominelle japanische Yen müsste heute daher nicht abwerten, um faire Wettbewerbsbedingungen herzustellen. Er müsste sich im Gegenteil aufwerten. Insofern sind die Vorwürfe an die Adresse Japans, es betriebe einen Währungskrieg, durchaus gerechtfertigt. Allerdings sind die Ungleichgewichte beim jetzigen Kursverhältnis noch nicht so groß, dass man ganz laut schreien müsste. Man muss dabei auch bedenken, dass die realen Wechselkurse nur ein ungefähres Bild geben, weil sie von den jeweils benutzten Preisindizes und den verwendeten Zeiträumen abhängen. Aber man sollte die Japaner beim nächsten G20-Gipfel Mitte Februar schon warnen. Ich vermute auch, dass das getan wird.
Die Yen-Abwertung wirkt sich positiv auf die Gewinne der fernöstlichen Unternehmen und damit auch auf deren Aktienkurse aus. Insofern sind Investitionen im Nikkei durchaus interessant. Vergessen Sie dabei aber nicht eine Währungsabsicherung, weil Sie sonst über die Währung verlieren könnten, was Sie über den Aktienkurs verdienen. Wenn es in der Welt wirklich zu einem Währungskrieg kommen sollte, dann sind dies freilich schlechte Nachrichten für die Weltwirtschaft und damit das generelle Aktienklima insgesamt.
Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.
© 7. Februar 2013 /Martin Hüfner
Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon Asset Management S.A. Er war viele Jahre Chefvolkswirt beziehungsweise Senior Economist bei der HypoVereinsbank und der Deutschen Bank. In Brüssel leitete er den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung. Hüfner schreibt für große internationale Zeitungen wie die Neue Züricher Zeitung oder die Schweizer Finanz und Wirtschaft sowie für große Zeitungen in Deutschland. Er ist Autor mehrerer Bücher, u. a. 'Europa Die Macht von Morgen' und 'Comeback für Deutschland'.
Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von boerse-frankfurt.de. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
Die Abwertung des japanischen Yen belastet zunehmend den Handel mit dem fernöstlichen Land. In den letzten sechs Monaten hat sich der Euro um über 30 Prozent gegenüber dem Yen aufgewertet, der US-Dollar um 19 Prozent, der chinesische Renminbi um 21 Prozent. Das sind gewaltige Verschiebungen in kurzer Zeit. So etwas sieht man selten. Es ist daher nicht überraschend, dass das Wort Währungskrieg auftauchte. Sind die Veränderungen durch die vorherige jahrelange Aufwertung der japanischen Währung gerechtfertigt? Oder verschaffen sich die Japaner hier einen ungerechtfertigten Handelsvorteil?
Zunächst: Das Stichwort Währungskrieg fällt nicht nur im Zusammenhang mit den Japanern. Aufgebracht haben es die Brasilianer. Sie wehren sich gegen die niedrigen Zinsen in den USA und Europa, die die Währungen der Schwellenländer nach oben treiben. In Europa hat sich in letzter Zeit vor allem der Schweizer Franken abgewertet. Das britische Pfund ist nach der Rede Camerons über einen möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU schwächer geworden. Umgekehrt hat sich der Euro aufgewertet. Der bisherige Chef der Eurogruppe, Jean Claude Juncker, sprach schon von einer 'gefährlich hohen' Bewertung.
Der Fall Japan ist freilich der Wichtigste. Hier ist die Abwertung am größten. Auf den ersten Blick, aber nur auf den ersten Blick, haben die Japaner insgesamt gute Karten. Sie können darauf verweisen, dass die jüngste Abwertung nur eine Korrektur einer vorherigen Markübertreibung ist. Über die letzten 40 Jahre gesehen (siehe Grafik) sieht der Yen zu dem aktuellen Wechselkurs ganz ordentlich bewertet aus. Tokyo kann auch sagen, dass sich die japanische Wirtschaft schon seit Jahren schlechter entwickelt als die amerikanische oder die europäische. Ihr Wachstum war in den letzten zwölf Jahren im Schnitt nur halb so hoch wie das in den USA und ein Drittel niedriger als das in Europa. Es gab Deflation mit für Japan hoher Arbeitslosigkeit. Dazu passt eigentlich keine Aufwertung.
Die Japaner haben zudem ihren Leistungsbilanzüberschuss abgebaut. Er lag vor sechs Jahren, also vor dem Beginn der Subprime-Krise, noch bei 4,9 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Inzwischen beträgt er weniger als 2 Prozent. Die japanischen Kapitalmarktzinsen sind niedriger als die in den USA oder in Europa. Das führt zu Carry Trades in Länder mit höheren Renditen, z. B. Aufnahme von Krediten in Japan und Anlage zum Beispiel in Australien oder Südafrika.
Im Übrigen können die Japaner auch noch darauf verweisen, dass sich der Yen langfristig sehr viel mehr aufgewertet hat, als das etwa beim Euro der Fall war. Wenn die europäische Gemeinschaftswährung sich in den letzten 40 Jahren gegenüber dem Dollar wie der Yen entwickelt hätte, dann stünde der Euro-/Dollarkurs heute nicht bei 1,35. Er wäre bei über 2 Dollar je Euro. Freilich war der Yen-Kurs vor 40 Jahren kein richtiger Marktkurs.
Schließlich können sich die Japaner auch auf das Beispiel der Schweiz berufen. Dort gab es eine starke Aufwertung des Franken. Sie war durch keine guten Worte zu stoppen. Die Notenbank musste eingreifen und hat den Wechselkurs mit massiven Devisenmarktinterventionen auf einem gerade noch tragbaren Niveau stabilisiert. Niemand hat der Schweiz damals einen Währungskrieg vorgeworfen. Im Gegenteil, die meisten hatten Verständnis, dass die Schweizer Wirtschaft keine weitere Aufwertung mehr verkraften würde.
Das ist freilich nur die eine Seite der Medaille. Die andere sieht ganz anders aus und liegt nicht so offen zu Tage. Die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes hängt nicht nur von den Wechselkursen ab, sondern auch vom Verhältnis der relativen Preise. Seit dem Jahr 2000 sind die Preise auf der fernöstlichen Insel um über 30 Prozent weniger gestiegen als in Europa. Das hat den exportierenden Unternehmen Nippons entsprechend geholfen. Ihre Kosten sind weniger als die ihrer Konkurrenten gestiegen.
Ökonomisch kommt diese Inflationsdifferenz einer Abwertung gleich. Vergleicht man das mit der nominellen Aufwertung des Yen gegenüber dem Euro um insgesamt 25 Prozent in dieser Zeit, so zeigt sich, dass die japanische Währung real, also unter Berücksichtigung der Inflationsdifferenz, nicht aufgewertet, sondern abgewertet wurde.
Der nominelle japanische Yen müsste heute daher nicht abwerten, um faire Wettbewerbsbedingungen herzustellen. Er müsste sich im Gegenteil aufwerten. Insofern sind die Vorwürfe an die Adresse Japans, es betriebe einen Währungskrieg, durchaus gerechtfertigt. Allerdings sind die Ungleichgewichte beim jetzigen Kursverhältnis noch nicht so groß, dass man ganz laut schreien müsste. Man muss dabei auch bedenken, dass die realen Wechselkurse nur ein ungefähres Bild geben, weil sie von den jeweils benutzten Preisindizes und den verwendeten Zeiträumen abhängen. Aber man sollte die Japaner beim nächsten G20-Gipfel Mitte Februar schon warnen. Ich vermute auch, dass das getan wird.
Die Yen-Abwertung wirkt sich positiv auf die Gewinne der fernöstlichen Unternehmen und damit auch auf deren Aktienkurse aus. Insofern sind Investitionen im Nikkei durchaus interessant. Vergessen Sie dabei aber nicht eine Währungsabsicherung, weil Sie sonst über die Währung verlieren könnten, was Sie über den Aktienkurs verdienen. Wenn es in der Welt wirklich zu einem Währungskrieg kommen sollte, dann sind dies freilich schlechte Nachrichten für die Weltwirtschaft und damit das generelle Aktienklima insgesamt.
Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.
© 7. Februar 2013 /Martin Hüfner
Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon Asset Management S.A. Er war viele Jahre Chefvolkswirt beziehungsweise Senior Economist bei der HypoVereinsbank und der Deutschen Bank. In Brüssel leitete er den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung. Hüfner schreibt für große internationale Zeitungen wie die Neue Züricher Zeitung oder die Schweizer Finanz und Wirtschaft sowie für große Zeitungen in Deutschland. Er ist Autor mehrerer Bücher, u. a. 'Europa Die Macht von Morgen' und 'Comeback für Deutschland'.
Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von boerse-frankfurt.de. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)