LONDON (dpa-AFX) - Die britische Regierung will künftig Asylsuchende jeglicher Herkunft und ohne Perspektive auf eine Rückkehr an Ruanda abgeben. Ob das mit dem geltenden Recht vereinbar ist, soll an diesem Mittwoch vom obersten britischen Gericht, dem Supreme Court in London, entschieden werden. Mit der Urteilsverkündung wird um 11.00 Uhr (MEZ) gerechnet.
Dem geht ein zäher Rechtsstreit voraus. Das Berufungsgericht (Court of Appeal) hatte im Juni geurteilt, dass Ruanda nicht als sicheres Drittland einzustufen ist und ein Asylverfahren dort nicht vor einer Auslieferung an das Herkunftsland schützt. Es kippte damit eine erstinstanzliche Entscheidung des High Courts, der den Plan für rechtskonform erklärt hatte. Dagegen geklagt hatten Asylsuchende aus Syrien, dem Irak, dem Iran, Vietnam, Sudan und Albanien.
Die konservative Regierung von Premierminister Rishi Sunak will mit dem Ruanda-Plan, für den ein Abkommen mit dem ostafrikanischen Land geschlossen wurde, Migranten von der irregulären Einreise in kleinen Booten über den Ärmelkanal abschrecken. Im vergangenen Jahr waren mehr als 45 000 Menschen auf diesem Weg ins Vereinigte Königreich gekommen. Zwar ist die Zahl in diesem Jahr mit bislang etwa 27 000 niedriger als im Vorjahresvergleich, doch das Versprechen der Regierung, die Boote zu stoppen, gilt noch nicht als eingelöst.
Sollte der Supreme Court die Pläne der Regierung für rechtswidrig erklären, dürfte das erneute Rufe nach einem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) auslösen. Die Richter des Courts of Appeal hatten sich in ihrer Argumentation auf die Konvention gestützt. Es war auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der den bisher einzigen geplanten Flug mit Asylsuchenden nach Ruanda per einstweiliger Verfügung stoppte. Der Gerichtshof in Straßburg wäre auch bei einem Erfolg für die Regierung am Mittwoch die letzte Instanz für die Gegner des Ruanda-Plans.