Von Alessandro Albano
Investing.com – Im Gegensatz zu den Aktienmärkten des Westens erleben die chinesischen Börsen bereits eine deutliche Trendwende. Während der S&P 500 im vergangenen Monat 7,5 Prozent verlor, legte der Hang Seng im gleichen Zeitraum um 4 Prozent zu, der SZSE Component stieg um 12 Prozent und der NASDAQ Golden Dragon China sprang um 17 Prozent nach oben.
Für die Erholung der Dragon-Aktien waren einige wichtige Faktoren ausschlaggebend: die Lockerung der Covid-Beschränkungen, die Reduzierung der regulatorischen Beschränkungen für den Technologiesektor und die steuerliche Unterstützung nach der Rede von Vizepremier Liu He.
„Investoren müssen zugeben, dass sich der sogenannte 'Beijing Put' ausgezahlt hat“, erklärt Gergely Majoros, Mitglied des Investmentkomitees von Carmignac, in einer Research Note. Er schreibt, dass die jüngste Lockerung der Restriktionen in China dazu beigetragen hat, die Stimmung der Investoren gegenüber chinesischen Aktien zu verbessern. Aber was noch wichtiger ist: „Die Regierung des Drachen hat begonnen, ihren Versprechen nachzukommen, was die Investitionsaussichten auf diesem Markt weiter verbessert“.
Fiskalische Unterstützung zahlt sich aus
Nach der Videokonferenz von Premier Li am 25. Mai, an der mehr als 100.000 Lokalbeamte teilnahmen, arbeiteten viele Ministerien und Gebietsverwaltungen an der Einführung steuerlicher Konjunkturmaßnahmen, um das Wachstum zu stabilisieren.
„Die Auswirkungen dieser Maßnahmen sind bereits in den Sektoren sichtbar, in denen sie üblicherweise als Erstes zu spüren sind, wie bei Infrastrukturprojekten. Aber sie zeigen sich auch in anderen Bereichen, wie der Automobilbranche“, so der Experte des französischen Vermögensverwalters.
„Der turbulente Immobilienmarkt ( Evergrande (HK:HK:3333)) hat ebenfalls begonnen, von den Stimulierungsmaßnahmen zu profitieren, obwohl er nach wie vor tief in der Krise steckt. Es ist daher davon auszugehen, dass noch in diesem Jahr weitere gezielte Maßnahmen angekündigt werden, insbesondere im Hinblick auf den Kongress der Kommunistischen Partei im Oktober“, so Majoros in der Studie.
Dem Fachmann zufolge scheint sich der Schwerpunkt der chinesischen Regierung „von der expliziten Nullzinspolitik hin zu einer ausgewogeneren Nuancierung zugunsten wirtschaftlicher Ziele“ verlagert zu haben, sodass der Kreditimpuls „erste Anzeichen einer Verbesserung“ zeige. Letzteres war schon immer ein guter Indikator für die künftige Wirtschaftstätigkeit.
Positive Zeichen für den Technologiesektor
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen haben sich für Technologieunternehmen in China ebenfalls deutlich verbessert, und die Zahl der positiven Nachrichten hat zugenommen. Das Ende der Ermittlungen wegen Cybersicherheitsproblemen bei einigen Unternehmen wie DIDI, Fulltruck und Kanzhun war ein starkes positives Signal für das Ende dieser Phase der Regulierungskampagne. In einigen Sektoren, wie dem Glücksspiel, wurden Vorschriften gelockert, wie die Erteilung neuer Lizenzen beweist.
„Lediglich beim Thema Delisting vieler chinesischer ADRs in New York hat es wohl keine nennenswerten Fortschritte gegeben, zumindest noch nicht, und die Transparenz in diesem Bereich ist noch gering“, so Majoros.
Zu überwachende Ereignisse
Kurzfristig sollte sich der Markt auf die Ereignisse konzentrieren, die „im Juli stattfinden werden und die mehr Aufschluss über diese Fragen geben könnten“. Der Analyse zufolge könnten weitere Erklärungen während des mit Spannung erwarteten Besuchs von Xi Jinping in Hongkong Anfang Juli anlässlich des 25. Jahrestags der „Restitution“ sowie während der bevorstehenden Sitzung des Staatsrats Mitte Juli abgegeben werden. Ein weiteres Treffen zwischen US-Präsident Biden und Xi Jinping wird für den Sommer erwartet, bei dem einige dieser Fragen angesprochen werden sollen.
Letztlich, so Majoros, ist der Ball ins Rollen gekommen und an mehreren Fronten sind Verbesserungen erkennbar. „Die Risiko-Asymmetrie hat sich also weiter zugunsten der Attraktivität des Aktienmarktes verschoben, was durch die günstigen Bewertungen und das im historischen Vergleich derzeit geringe Engagement der globalen Anleger in chinesischen Aktien noch verstärkt wird.“
„Vorsicht ist bei Leerverkäufen geboten. Selektion bleibt der Schlüssel, um künftige Fehlschläge zu vermeiden“, warnt der Experte. „Investoren sollten nicht darauf wetten, dass die Kommunistische Partei Chinas ihre langfristigen Ziele nicht erreichen wird. Die bevorstehenden politischen Ereignisse im Juli müssen aufmerksam verfolgt werden, da sie weitere Klarheit über die Marktaussichten schaffen und möglicherweise die nächste Erholungsphase des chinesischen Aktienmarktes einleiten können“.