Enteignung der privaten Rentenvorsorge – was plant die Regierung?

Veröffentlicht am 31.07.2023, 16:00
© Reuters.

Investing.com – Die hohe Inflation wird zunehmend ein stetiger Begleiter unseres Lebens. Doch während die immer teurer werdenden Lebensmittel zu realen Existenzängsten führen, beabsichtigen Länder diese Situation wieder einmal für den Schuldenabbau zu nutzen, indem sie versteckte Enteignungen durchführen.

Dass dies ein sehr effektives Instrument ist, erklärten Carmen Reinhart und M. Belen Sbrancia in einem vom Internationalen Währungsfonds (IWF) im Januar 2015 veröffentlichten Paper.

In diesem wird beschrieben, dass die Verschuldung eines Staates in einem Umfeld hoher Inflation besonders gut verringert werden kann. Es wird von einer sogenannten "finanziellen Repression" gesprochen, mit deren Hilfe es möglich ist, Sparer um ihr Geld zu bringen und damit die Staatsfinanzen aufzubessern.

Dies geschah beispielsweise nach dem Zweiten Weltkrieg, der die Schulden aller beteiligten Länder explodieren ließ.

Zwischen 1945 und 1980 waren die Realzinsen während der Hälfte dieses Zeitraums negativ. Die Inflation lag also über dem Marktzins, wie es in Europa aktuell wieder der Fall ist.

Die Autoren von "The Liquidation of Government Debt" fanden heraus, dass die 12 untersuchten Industrieländer ihre Schulden in der Nachkriegszeit bis 1980 jährlich um durchschnittlich 1 bis 5 Prozent des BIP abbauten.

Sie kommen zu dem Ergebnis, dass eine weitere Phase hoher Inflation genutzt werden sollte, um die Staatsfinanzen erneut zu sanieren.

Genau das dürfte sich in den nächsten Jahren abspielen, wie der Makroanalyst Nick Giambruno erklärte.

Das Mittel der Wahl, wie Regierungen an die Gelder der Bevölkerung kommen, sind Staatsanleihen. Als Beispiel nennt Giambruno eine Inflation von 9 Prozent und einen Zinssatz von 4 Prozent. Der damit entstehende Realzins von -5 Prozent würde zu einem kontinuierlichen Vermögenstransfer vom Kreditgeber (Käufer von Staatsanleihen) an den Kreditnehmer (Staat) in Höhe von 5 Prozent führen.

Wer jetzt glaubt, dass er von einem derartigen Raubzug nicht betroffen sein würde, weil er keine Staatsanleihen hält, der irrt sich sehr wahrscheinlich. Denn jeder, der über eine festverzinsliche Vermögensvorsorge oder eine private Rentenabsicherung verfügt, der wird ohne es zu wissen auch in Staatsanleihen investiert sein.

Diesem Mechanismus ist man nahezu alternativlos ausgeliefert, denn sollten die Anleihegläubiger merken, was passiert, wird der Staat die Flucht aus Anleihen per Gesetz einschränken, wie Giambruno feststellt.

Der Abzug von Kapital aus diesem Sektor kann mit Kapitalverkehrskontrollen sehr effektiv gesteuert werden. Außerdem gibt es Möglichkeiten sogar neues Kapital für Staatsanleihen zu "akquirieren". Private Rentenfonds können unter dem Vorwand, für mehr Sicherheit zu sorgen, bestimmte Zwangsquoten für Investments in Staatsanleihen auferlegt werden.

Parallel dazu dürfte in den Medien immer häufiger zu hören sein, dass die hohe Inflation auf Problemen in der Lieferkette und dem Ukraine-Krieg beruhen – also außerhalb des Einflussbereichs der Regierungen und Zentralbanken.

Vorstellbar wäre aus Sicht von Giambruno auch, dass die Inflation aufgrund neuer Berechnungsmethoden offiziell niedriger ausfällt und/oder das Inflationsziel angehoben wird.

Bezüglich der Ursache für die Inflation entkräftete der Ökonom Daniel Lacalle das weitverbreitete Argument, dass die Wirtschaft mit ihrer Preissetzungsmacht die Preise in die Höhe treibt – Unternehmen können keine Gesamtinflation hervorrufen, wie wir sie aktuell erleben.

Lacalle begründet das damit, dass Unternehmen in einem ständigen Wettbewerb stehen. Und im Wettkampf mit der Konkurrenz werden Preise eher gesenkt als erhöht.

Selbst ein Oligopol würde diesem Mechanismus zwangsläufig unterliegen und könnte kurzfristig nur wenige Preise bestimmen, aber niemals sämtliche Marktpreise.

Als Beispiel nennt Lacalle den Ölmarkt und die OPEC. Dem Kartell gelingt es trotz aller Bemühungen nicht, den Ölpreis nominal, und schon gar nicht inflationsbereinigt, über 80 Dollar pro Barrel zu halten. Damit ist die Vorstellung, dass einige große Unternehmen als Treiber der Inflation gelten, absurd.

Das Einzige, was für eine nennenswerte Inflation sorgt, ist die Schwäche einer Währung, wenn davon zu viel im Umlauf ist. Das ist der Grund, warum ein europäischer Großkonzern seine Preise in Deutschland um 20 Prozent und in der Schweiz nur zum 7 Prozent erhöht. Denn in der Eurozone werden schneller neue Euro gedruckt als CHF in der Schweiz, erklärt Lacalle.

Den Regierungen ist jedoch daran gelegen, den Schwarzen Peter der Inflation einem anderen zuzuschieben. Denn so kommt keiner auf die Idee, dass sie selbst davon profitieren, dass die Preise steigen. Lacalle schreibt:

"Regierungen bremsen die Inflation nie, weil sie die größten Nutznießer sind. Die Geldschöpfung ist nie neutral und begünstigt unverhältnismäßig den einzigen Monopolisten in der Wirtschaft: Den Staat, der die Währung ausgibt."

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