EZB-Zinssenkung noch vor Jahresende? Anleihe-Experte beantwortet diese Frage

Veröffentlicht am 27.02.2023, 16:16
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Von Laura Sánchez 

Investing.com - Die Investoren beobachten weiterhin aufmerksam die geldpolitischen Einschätzungen von Experten. Einige kalkulieren bei ihren Investitionen bereits die Chancen einer EZB-Zinssenkung ein. Aber ist das wirklich ratsam?

"Nach dem katastrophalen Jahr 2022 haben die Staatsanleihemärkte einen guten Start hingelegt. Die Renditen sind über die gesamte Zinsstrukturkurve hinweg gesunken, während die Gesamtrenditen von Staatsanleihen im grünen Bereich liegen und einen (kleinen) Teil der Vorjahresverluste wieder wettgemacht haben. Wir gehen jedoch nicht davon aus, dass dieser Trend anhält. Zumindest auf den europäischen Anleihemärkten dürften die Renditen bald wieder steigen. So sind unter anderem die Renditen 10-jähriger Bund in der zweiten Januarhälfte bereits deutlich angestiegen", erklärt Florian Späte, Senior Bond Analyst bei Generali (BIT:GASI) Investments.

"Der Hauptgrund für den Rückgang der Renditen über die gesamte Zinsstrukturkurve hinweg ist die Überarbeitung der mittel- und langfristigen Zinserwartungen. Die Finanzmärkte haben den langfristigen Leitzinspfad angepasst. Eine erste Senkung wird bereits (teilweise) im vierten Quartal 2023 erwartet, und bis Ende 2024 rechnen die Märkte mit einem EZB-Leitzins von rund 2,5 Prozent", sagt Späte.

"Dies spiegelt sich auch in der erwarteten 1-Jahres-Realrendite wider, die für die kommenden Jahre bei rund 0 Prozent liegt. Das steht unseres Erachtens im Widerspruch zu der harten Linie der EZB (nicht nur eine weitere Anhebung um 50 Basispunkte im Februar, sondern auch eine Pressekonferenz, die im Einklang mit der harten Linie stand), der hartnäckigen Inflationsrate im Euroraum (die Kerninflation bleibt unvermindert und auf einem sehr hohen Niveau; der Anstieg der spanischen Inflation im Januar könnte nur ein Weckruf sein) und schließlich den verbesserten Wachstumsaussichten für den Euroraum. Mit einer Winterrezession rechnen wir nicht mehr und haben unsere Wachstumsprognose für 2023 auf 0,7 Prozent angehoben."

"Infolgedessen sehen wir sogar Aufwärtspotenzial für den EZB-Zinspfad. Normalerweise preisen die Finanzmärkte einen Höchstzins ein, der über dem endgültigen Ergebnis liegt. Wir erwarten einen Höchstsatz von 3,5 Prozent und sehen Spielraum für einen Anstieg des EZB-Höchstsatzes auf etwa 3,7 Prozent (von derzeit 3,4 Prozent). Überdies ist eine drastische Senkung der Leitzinsen im Jahr 2024 unwahrscheinlich, denn die Inflation wird sich unseren Prognosen zufolge erst 2026 wieder dem EZB-Ziel nähern, wenn die Kerninflation anhält. Daher sehen wir einen gewissen Spielraum für steigende Bund-Renditen, die auch auf Sicht von einem Jahr auf einem hohen Niveau bleiben könnten", fügt Späte hinzu.

Gute Stimmung bei Peripherie-Anleihen ist irreführend

Späte erklärt: "Die Spreads von Staatsanleihen der Eurozone haben ihren Abwärtstrend fortgesetzt und Mehrmonatstiefs erreicht. Wir halten die derzeitige Stimmung jedoch für fragil und erwarten, dass sich die Spreads in Zukunft ausweiten werden".

"Selbst für den Fall, dass die Emissionstätigkeit geringer ausfällt als derzeit erwartet, da die niedrigeren Energiepreise und ein günstigeres Wachstumsumfeld die fiskalische Belastung verringern, wird der Nettoabsatz von Staatsanleihen im Jahr 2023 auf ein Rekordniveau ansteigen. Nach einem ruhigen Start im Jahr 2023 wird sich die Emissionstätigkeit bald beschleunigen müssen. Angesichts des anspruchsvollen Emissionsprogramms sehen wir vor allem Italien, Frankreich und Spanien in Gefahr", warnt der Experte.

Ein weiterer Faktor wird nach Ansicht des Strategen von Generali Investments im Jahr 2023 wichtig werden. "In der Vergangenheit waren japanische Investoren zuverlässige Käufer von Staatsanleihen der Eurozone. Die Trendwende in der japanischen Geldpolitik dürfte sich jedoch fortsetzen, und bereits 2022 hat Japan damit begonnen, Portfolioinvestitionen aus dem Ausland abzuziehen. Angesichts steigender japanischer Anleiherenditen dürfte sich dieser Trend fortsetzen und die Staatsanleihen des Euroraums, die nicht zum Kerngeschäft gehören, belasten."

"Insgesamt erwarten wir im Laufe des Jahres 2023 eine moderate Ausweitung der Spreads für Non-Core-, aber auch für Semi-Core-Anleihen", so Späte abschließend.

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