Von Laura Sanchez
Investing.com – Es ist der wichtigste Tag der Woche. Die US-Federal Reserve (Fed) wird ihre Zinsentscheidung um 20:00 Uhr bekannt geben.
In den letzten Tagen haben sich die Vorhersagen geändert. Während vor einer Woche der Konsens noch bei 50 Basispunkten lag, verschob sich dieser nach der Veröffentlichung der höher als erwartet ausgefallenen US-VPI-Daten am vergangenen Freitag in Richtung einer möglichen Anhebung um 75 Basispunkte.
Die beiden strategischen Ansätze
Wie von Link Securities erläutert, könnte die Fed zwei Strategien zur Bekämpfung der hohen Inflation wählen:
Die bisher offenbar gewählte Variante ist, die Zinsen schrittweise, um einen halben Prozentpunkt anzuheben, bis sie, das ihrer Ansicht nach neutrale Niveau oder leicht darüber erreicht hat – ein Niveau, bei dem die Leitzinsen das Wirtschaftswachstum weder unterstützen noch behindern. Die Ermittlung dieses Niveaus ist eine wirtschaftstheoretische Disziplin und als solche höchst umstritten. Der „Fahrplan“ dorthin ist das, was die Fed und ihr Vorsitzender Powell dem Markt bisher vermittelt haben, und ihr Ziel ist es, eine „harte Landung“ der US-Wirtschaft zu vermeiden.
Eine Beschleunigung der Rücknahme geldpolitischer Anreize umfasst die Einschränkung der verfügbaren Liquidität im System und die Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen, um direkt gegen die Nachfrage vorzugehen. Dies würde eine Abkehr von der den Märkten vermittelten Strategie und mehrere aufeinander folgende Zinserhöhungen um 75 Basispunkte oder sogar bis zu einem Prozentpunkt bedeuten. Mit dieser Strategie zur Bekämpfung der hohen Inflation könnte die Nachfrage zerstört und die bereits erwähnte „harte Landung“ der US-Wirtschaft verursacht werden.
„Im Prinzip setzen wir weiterhin darauf, dass die Fed zumindest auf der heutigen Sitzung ihren Leitzins nur um einen halben Prozentpunkt anheben wird. Andererseits ist wichtig, was die Mitglieder im sogenannten 'Dot Plot' festhalten, wenn sie ihre Erwartungen für die Benchmark-Zinssätze in den kommenden Quartalen/Jahren festhalten“, so Link Securities.
Einige rechnen mit bis zu 100 Basispunkten
In den letzten Stunden sprechen sogar einige Experten von einer Zinserhöhung um 100 Basispunkte.
„Die Fed Funds Futures gehen von einer möglichen Anhebung um 75 Basispunkte aus (94 Prozent), dem größten Anstieg seit 1994. Einige Analysten schließen die Möglichkeit einer Anhebung um 100 Basispunkte nicht aus, nachdem der Verbraucherpreisindex im Mai unerwartet auf ein neues 40-Jahres-Hoch gestiegen ist“, so Sergio Avila, Analyst bei IG.
Steve Englander, Leiter des Global G10 FX Research und globaler Nordamerikastratege bei Standard Chartered (LON:STAN), sieht „bei dieser Sitzung eine Außenseiterchance von 100 Basispunkten. Allerdings ist die US-Notenbank nicht gerade für Überraschungen bekannt. Das Verbrauchervertrauen ist erschreckend, sodass wir 50 Basispunkte als Richtwert für Juni beibehalten“, berichtet Bloomberg.
Der ehemalige Präsident der New Yorker Fed, William Dudley, sagte am Dienstag, dass er glaubt, dass der FOMC die Erhöhung um 75 Basispunkte akzeptieren wird. Laut Michael Derby vom Wall Street Journal, hält er aber auch eine Erhöhung um 100 Basispunkte für möglich.
Sollte dies nicht der Fall sein, wird der Fokus auf der anschließenden Pressekonferenz des Fed-Vorsitzenden Jerome Powell liegen, die für 20:30 Uhr angesetzt ist.
Dot-Plot
„Der überarbeitete Dot-Plot sollte Klarheit über das künftige Tempo der geldpolitischen Straffung zur Bewältigung der hohen Inflation schaffen. Daraus ergibt sich auch die Bedeutung der revidierten Wachstumsaussichten und der PCE-Inflationsbenchmark für das neue Makrobild“, erklärt Bankinter.
„Wir werden den Dot-Plot der Fed im Auge behalten, der voraussichtlich nach oben korrigiert wird (im März: 1,9 % Dez-22, 2,8 % Dez-23, um langfristig auf 2,4 % zu fallen), sowie jeden Hinweis auf das Tempo und den Umfang der in diesem Monat eingeleiteten Bilanzreduzierung“, so Renta 4.
Wie reagieren die Märkte?
„Es ist schwierig, die Reaktion der Anleger auf eine mögliche Zinserhöhung der Fed um 75 Basispunkte vorherzusehen. Wir sind jedoch der Meinung, dass sowohl die Anleihen- als auch die Aktienmärkte diesen Schritt bereits eingepreist haben, sodass er keine größeren Auswirkungen auf die Märkte haben dürfte. Bleibt der FOMC dagegen bei seinem aktuellen „Fahrplan“ und erhöht den Leitzins um einen halben Prozentpunkt, wie es bis vor wenigen Tagen erwartet wurde, könnte das zu einer kleinen „Entlastungsrallye“ sowohl bei Anleihen als auch bei Aktien führen“, schlussfolgert Link Securities.