Von Yasin Ebrahim
Investing.com - Die Mitglieder der Gremien, die über die Geldpolitik der Federal Reserve entscheiden, waren sich im Allgemeinen einig, dass der Zeitpunkt für eine Reduzierung der monatlichen Anleihekäufe noch nicht gekommen ist, obwohl einige Teilnehmer der Meinung waren, dass die Bedingungen für ein Tapering angesichts des sich verbessernden wirtschaftlichen Umfelds eher früher als später erfüllt sein könnten, wie aus dem Protokoll der Juni-Sitzung der Federal Reserve hervorgeht.
"Der vom Ausschuss gesetzte Standard des 'substantiellen weiteren Fortschritts' wurde allgemein als noch nicht erfüllt angesehen, obwohl die Teilnehmer weitere Fortschritte erwarten", heißt es im Protokoll. Einige Teilnehmer waren aber der Meinung, dass die Bedingungen für ein Tapering "etwas früher erfüllt werden, als sie es bei vorherigen Sitzungen angesichts der hereinkommenden Daten erwartet hatten."
Zum Abschluss seiner letzten Sitzung am 16. Juni beließ der Offenmarktausschuss der US-Notenbank (FOMC) seinen Leitzins in einer Spanne von 0% bis 0,25% und das Tempo der Anleihekäufe bei monatlich 120 Milliarden Dollar.
Zwar wurde weithin eine unveränderte Geldpolitik erwartet, doch hat die Zentralbank ihre Prognosen für den Zeitpunkt des Zinsanstiegs vorverlegt. Sie deutete zwei Zinserhöhungen im Jahr 2023 an und signalisierte eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine erste Anhebung bereits im Jahr 2022.
Die etwas hawkishe Haltung überraschte viele und rückte das Thema "Tapering" in den Vordergrund. Der Fed-Chef Jerome Powell bestätigte, dass das Thema "Tapering" auf der Juni-Sitzung angesprochen wurde.
Die Zentralbank hat es jedoch offenbar nicht eilig, mit der Reduzierung des Kaufprogramms zu beginnen. Einige Teilnehmer präferieren, dass das Komitee weitere Informationen in den kommenden Monaten abwartet, um "eine bessere Einschätzung über die Richtung am Arbeitsmarkt und der Inflation zu erhalten", heißt es im Protokoll.
Im Rahmen ihres aktuellen Programms zum Ankauf von Vermögenswerten erwirbt die Fed für 40 Milliarden Dollar hypothekengesicherte Wertpapiere (Mortgage Backed Securities) und für 80 Milliarden Dollar pro Monat Treasuries.
Meinungsverschiedenheiten darüber, ob die Käufe von MBS oder von Treasuries stärker zurückgefahren werden sollten, oder beides gleichzeitig, waren ebenfalls ein heißes Diskussionsthema. Diejenigen, die eine schnellere Drosselung der MBS-Käufe oder eine vorgezogene Verringerung der Treasuries befürworteten, verwiesen auf die Notwendigkeit einer Abkühlung des Immobilienmarktes inmitten von Sorgen über die himmelhohen Bewertungen. Einige andere Teilnehmer zogen es vor, das Tempo der Treasury- und MBS-Käufe entsprechend zu reduzieren, da diese Vorgehensweise "gut mit der bisherigen Kommunikation des Ausschusses übereinstimmt bzw. weil Käufe von Treasury-Wertpapieren und MBS durch ihren Einfluss auf die allgemeinen finanziellen Bedingungen beide akkommodierend wirken."
Die Erholung auf dem Arbeitsmarkt spielt offenbar die Schlüsselrolle bei den Tapering-Überlegungen der Fed. Powell äußerte sich optimistisch zur Aussicht auf weitere Jobgewinne im Laufe des Jahres und prognostizierte, dass sich der aktuelle Arbeitskräftemangel wahrscheinlich legen wird.
"Ich denke, es ist klar, und ich bin zuversichtlich, dass wir uns auf einem Weg zu einem sehr starken Arbeitsmarkt befinden", sagte Powell in der Pressekonferenz nach der Fed-Sitzung am 16. Juni. "Ich erwarte, dass wir über den Sommer und bis in den Herbst hinein einen starken Aufbau von Arbeitsplätzen sehen werden."
Das Tempo der Inflation hat inzwischen auch die Mitglieder des Ausschusses hellhörig gemacht, obwohl sie weiterhin glauben, dass die Faktoren, die die Inflation antreiben, vorübergehend sind.
"Die Teilnehmer äußerten sich dahingehend, dass der tatsächliche Anstieg der Inflation größer war als erwartet, als die 12-Monats-Veränderung des PCE-Preisindex im April 3,6 Prozent erreichte. Die Teilnehmer führten die Aufwärtsüberraschung auf größere Angebotsbeschränkungen auf den Güter- und Arbeitsmärkten zurück, als sie erwartet hatten, sowie auf einen stärker als erwarteten Anstieg der Verbrauchernachfrage im Zuge der Wiedereröffnung der Wirtschaft", heißt es im Protokoll.
Während das Protokoll kein klareres Bild über den Zeitpunkt des Tapering lieferte, glauben einige an der Wall Street, dass das geldpolitische Pendel eher früher als später in Richtung einer Straffung durch die Fed ausschlägt.
"Wir erwarten, dass sie [die Fed] im September eine aktualisierte Forward Guidance herausgibt und das Tapering zum Ende des 1Q22 ankündigt, ein Quartal später als der Konsens", glaubt Morgan Stanley (NYSE:MS). "Es gibt inhärente Unsicherheiten um diese Ansicht und angesichts des Tempos der Arbeitsmarkterholung ist die Gefahr gegeben, dass das Tapering eher früher als später beginnt", sagte Morgan Stanley Ökonomin Ellen Zentner in einer Notiz.