(aktualisierte Fassung)
KIEW/BERLIN (dpa-AFX) - Angesichts des andauernden russischen Angriffskriegs in der Ukraine hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dem Land weitere Verteidigungshilfen zugesagt. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte seine Landsleute zuvor auf einen noch monatelang andauernden Krieg eingestellt. Vor Ort gingen derweil die Kämpfe weiter. In Mariupol ergaben sich erneut Hunderte Soldaten aus dem Azovstal-Werk den russischen Angreifern.
Der Haushaltsausschuss des Bundestages beschloss derweil, Gerhard Schröder (SPD) wegen seiner Russland-Beziehungen einen Teil seiner Sonderrechte als früherer Bundeskanzler zu entziehen. US-Präsident Joe Biden sagte Schweden und Finnland seine volle Unterstützung für die Anträge zur Aufnahme in die Nato zu.
Hunderte weitere Kämpfer ergeben sich in Stahlwerk
Nach wochenlanger Belagerung ließen sich innerhalb von 24 Stunden mehr als 770 weitere Ukrainer auf dem Gelände von Azovstal festnehmen, wie Moskau am Donnerstag mitteilte. Seit Wochenbeginn hätten sich 1730 ukrainische Kämpfer ausgeliefert - was mit ihnen passiert, ist ebenso unklar wie die Anzahl der Menschen, die noch in dem Stahlwerk verschanzt sind. Von ukrainischer Seite gab es dazu zunächst keine Angaben. Kiew hofft, dass sich Moskau auf einen Austausch der ukrainischen Soldaten gegen russische Kriegsgefangene einlässt. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hatte mehrere Hundert Kämpfer aus dem Werk registriert, die nun Kriegsgefangene sind.
Scholz sagt Ukraine und eigenen Bürgern Unterstützung zu
Bei einer Regierungserklärung im Bundestag sagte Scholz der Ukraine weitere Unterstützung mit militärischer Ausrüstung und beim Wiederaufbau des Landes nach dem Krieg zu, dämpfte aber die Erwartungen an einen EU-Beitritt des Landes. An den russischen Präsidenten Wladimir Putin richtete er die Botschaft, dass die Ukraine sich die Bedingungen für ein Ende des Krieges nicht vorschreiben lassen werde: "Einen Diktatfrieden wird es nicht geben."
Die Waffenlieferungen an die Ukraine verteidigte Scholz: "Einem brutal angegriffenen Land bei der Verteidigung zu helfen, darin liegt keine Eskalation. Sondern ein Beitrag dazu, den Angriff abzuwehren und damit schnellstmöglich die Gewalt zu beenden."
Mit Blick auf die Panzerhaubitze 2000 wollen Deutschland und die Niederlande ihre Zusage vorerst nicht ausweiten. Eine Aufstockung sehe er "zur Zeit nicht", sagte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte in Den Haag bei einem Treffen mit Scholz. Der Kanzler wies darauf hin, dass die schweren Artilleriegeschütze "nicht einfach verfügbar gemacht werden können". Die beiden Länder hatten der Ukraine die Lieferung von zwölf Panzerhaubitzen 2000 zugesagt.
Schröder verliert Privilegien - EU-Parlament will Sanktionen
Im Haushaltsausschuss des Bundestags wurde beschlossen, Schröder einen Teil seiner Sonderrechte als Altkanzler zu entziehen. Sein Büro werde abgewickelt, das Personal anderswo eingesetzt. Sein Ruhegehalt und den Personenschutz darf Schröder, der als Vertrauter Putins gilt und enge Verbindungen nach Russland hat, behalten. Das EU-Parlament will den 78-Jährigen indes mit Sanktionen belegen, wie aus einer von einer großen Mehrheit beschlossenen Resolution hervorgeht. Das Parlament kritisiert Schröders anhaltende Tätigkeit für russische Staatsunternehmen.
Scholz begrüßte die Entscheidung des Bundestags, dem früheren Regierungschef einen Teil seiner Sonderrechte zu entziehen. "Die Entscheidung des Deutschen Bundestages im Hinblick auf den früheren Bundeskanzler ist folgerichtig und auch eine, die deshalb auch umgesetzt werden wird", sagte Scholz.
Biden: Beitritt Finnlands und Schwedens macht Nato stärker
US-Präsident Joe Biden brachte seine volle Unterstützung für die Anträge Finnlands und Schwedens zur Aufnahme in die Nato zum Ausdruck. Bei einer Pressekonferenz mit dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö und Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson im Weißen Haus sagte Biden, er sei stolz darauf, die Anträge der beiden Staaten auf Beitritt zum "stärksten und mächtigsten Verteidigungsbündnis der Weltgeschichte" zu unterstützen. "Finnland und Schweden machen die Nato stärker."
Andersson bezeichnete den angestrebten Nato-Beitritt ihres Landes als einen "Wendepunkt". Schweden habe sich mit dem Antrag für einen "neuen Weg" entschieden, sagte sie. Auch Niinistö nannte den angestrebten Beitritt seines Landes und Schwedens zur Nato als "historischen Schritt".
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte sich trotz des einstweiligen Vetos der Türkei von einer raschen Aufnahme Schwedens und Finnlands in das Militärbündnis überzeugt. "Ich bin zuversichtlich, dass wir zu einer schnellen Entscheidung kommen, Finnland und Schweden in der Nato-Familie willkommen zu heißen", sagte er in Kopenhagen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan unterstrich indes sein Nein gegen die Norderweiterung der Allianz (ETR:ALVG).
G7-Minister vereinbaren Bündnis für Ernährungssicherheit
Wegen des Getreidemangels durch den Krieg vereinbarten die G7-Entwicklungsminister ein Bündnis für globale Ernährungssicherheit. Dieses solle eine Finanzierung und enge Koordination der Maßnahmen zur Ernährungssicherheit gewährleisten. Russland blockiert Schiffslieferungen mit Weizen aus der Ukraine, auf die aber viele Staaten vor allem in Afrika und Asien angewiesen sind. Die deutsche Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sagte: "Es drohen Hungersnöte, weil Putin den Hunger gezielt als Waffe einsetzt."
UN-Generalsekretär António Guterres forderte den Weltsicherheitsrat in New York dazu auf, mit Maßnahmen gegen bewaffnete Konflikte auch die drastisch gestiegene Zahl der Hungernden zu bekämpfen. Es bestehe ein direkter Zusammenhang zwischen Hunger und Konflikt: Ein Großteil der 140 Millionen Menschen, die im vergangenen Jahr unter Hunger litten, lebten in Krisenländern, sagte er bei einer Sitzung des mächtigsten UN-Gremiums zum Thema Nahrungsmittelknappheit.
Bundeswehr fliegt erneut kriegsverletzte Ukrainer nach Deutschland
Die Bundeswehr flog erneut kriegsverletzte Ukrainer aus Polen zur medizinischen Behandlung nach Deutschland. Dazu startete am Donnerstag das Spezialflugzeug A310 MedEvac in Köln, wie die Luftwaffe auf Twitter (NYSE:TWTR) mitteilte. Bisher seien 111 Patienten über diesen Weg ausgeflogen worden. Der A310 MedEvac ist die fliegende Intensivstation der Luftwaffe. Verletzte werden in der Luft von Sanitätssoldaten weiterbehandelt. Die Patienten wurden diesmal nach Hamburg gebracht.