Berlin (Reuters) - China ist bei der Entwicklung von Corona-Impfstoffen nach Ansicht des Bundesinstituts für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel ein verlässlicher Partner.
“Ich würde die Zusammenarbeit des Paul-Ehrlich-Instituts mit den chinesischen Arzneimittelbehörden als sehr gut beurteilen”, sagte der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Klaus Cichutek, in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters.
Die Einschätzung des für Impfstoff-Zulassungen verantwortlichen Instituts steht im Kontrast zur kritischen Haltung der USA gegenüber China in der Corona-Krise. Cichutek verwies darauf, dass man zusammen mit chinesischen Behörde erfolgreich einen deutschen Impfstoff-Entwickler beraten habe, der in beiden Ländern klinische Test mit Impfstoffkandidaten gegen das Virus SARS-CoV-2 beginnen wollte. “Die Kooperation im regulatorischen Bereich war nie zurückhaltend, immer offen, insbesondere bei der WHO. Und wir haben schon eine längeren lebhaften wissenschaftlichen Austausch mit der für die experimentelle Arzneimittelprüfung verantwortlichen chinesischen Behörde.” China lege großen Wert auf die Einhaltung der Richtlinien der Weltgesundheitsbehörde WHO.
Cichutek wies Vermutungen zurück, dass sich chinesische Behörden im weltweiten Rennen um einen Impfstoff möglicherweise nicht an internationale Regularien halten könnten, um einen Vorsprung zu erhalten. “Aus dieser Zusammenarbeit habe ich den Eindruck, dass in China strikt vorgegangen wird, vielleicht manchmal strikter als bei uns”, sagte er. China hat einen zeitlichen Vorsprung in der Forschung, weil dort das Virus wohl bereits Ende 2019 ausbrach und somit früher mit der Entwicklung eines Impfstoffes begonnen wurde. “Ich denke, China ist technologisch genauso weit vorne wie andere Industrienationen und verfügt bekanntermaßen über eine hervorragende Forschungsinfrastruktur.” So befänden sich von den weltweit 13 Projekten in der klinischen Versuchphase alleine fünf in China, die mit inaktivierten Ganzvirusimpfstoffen arbeiteten. Er verwies darauf, dass derzeit weltweit an rund 130 Impfstoffprojekte auf verschiedenen Plattformen gearbeitet werde. Zudem gebe es internationale Kooperationen. “So arbeitet BioNTech sowohl mit der chinesischen Fosun Pharma als auch mit dem US-Unternehmen Pfizer (NYSE:PFE) an einer mRNA-Entwicklung zusammen”, sagte der PEI-Präsident.
Er sieht keine Gefahr, dass etwa nicht ausreichend erprobte Impfstoffe in Deutschland zugelassen werden könnten. “Wir übernehmen in Europa nicht einfach Impfstoffentwicklungen oder Zulassungen von anderen Staaten oder von anderen Behörden”, sagte er. Im Gegenteil lege man Wert auf eigene Ergebnisse aus Europa - das gelte auch für in den USA zugelassene Arzneimittel. Von Seiten des Paul-Ehrlich-Instituts habe man im Rahmen der Zulassung durch die Europäische Arzneimittelagentur oft “eine ein wenig differenziertere Bewertung vorgenommen”. Das wäre mit China genauso und habe nichts damit zu tun, wie gut oder schlecht die regulatorischen Systeme dort seien.
Cichutek relativierte US-Drohungen gegenüber der WHO und eines Alleingangs beim Einsatz eines Corona-Impfstoffes. “Bisher kann ich nicht feststellen, dass sich die Expertinnen und Experten der USA aus der WHO-Arbeit oder der internationalen Covid-Abstimmung langsam herausziehen”, sagte er. Noch diese Woche wollten das PEI und die US-Zulassungsbehörde FDA über gemeinsame Kriterien für die Genehmigung bestimmter klinischer Studien beraten. US-Drohungen einer nationalen Abschottung etwa bei der Impfstoffverteilung sehe er “mit Gelassenheit”. Das Coronavirus wüte weltweit und keine Grenzen. “Es nutzt niemanden, wenn man kleine Enklaven von Geimpften hat und der Rest der Welt kann sich nicht schützen. Das ist nicht mehr der Trend in der weltoffen agierenden Politik.”