BERLIN (dpa-AFX) - Menschenrechts- und Hilfsorganisationen haben die Einigung der EU-Staaten auf eine Verschärfung der europäischen Asylregeln kritisiert. Es sei eine Einigung auf Kosten der Menschenrechte und der Menschen, die weltweit am meisten Schutz benötigten, sagte der Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, Markus N. Beeko, am Freitag.
Die Organisation kritisierte vor allem das Verhalten der Ampel-Koalition. "Amnesty International ist fassungslos, wie die Bundesregierung die gestrige Einigung als "politischen Durchbruch" feiern kann." Es sei "kein Durchbruch, sondern ein menschenrechtlicher Tabubruch, eine Missachtung des verfassungsmäßigen Auftrags und ein gebrochenes Versprechen des eigenen Koalitionsvertrages". Es brauche nun breiten gesellschaftlichen Protest und wesentliche Änderungen in den weiteren Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament und der Kommission.
Auch Pro Asyl kritisierte die Einigung scharf. Damit habe man einen "einen Frontalangriff auf den Rechtsstaat und das Flüchtlingsrecht gestartet", teilte die Organisation mit. "Wenn Geflüchtete in Grenzverfahren weggesperrt werden, um sie in unsichere Drittstaaten abzuschieben, dann hat das mit Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit nichts mehr zu tun", sagte Sprecher Karl Kopp.
Aus Sicht der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen Deutschland wird die Entscheidung der EU-Innenminister katastrophale Folgen für schutzbedürftige Menschen haben. "Wir sind entsetzt über die Zustimmung der Bundesregierung", sagte die stellvertretende Vorsitzende Parnian Parvanta. Auch sie warf der Ampel-Koalition den Bruch des Koalitionsvertrags vor. "Das Leid von Menschen auf der Flucht wird sich durch die Einigung in Luxemburg weiter verschärfen."
Die EU-Staaten hatten am Donnerstag in Luxemburg mit einer ausreichend großen Mehrheit für umfassende Reformpläne gestimmt. Vorgesehen ist insbesondere ein deutlich härterer Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive. So sollen ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort würde dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden. Denkbar ist aber, dass das EU-Parlament noch Änderungen durchsetzt. Es hat bei der Reform ein Mitspracherecht und wird in den kommenden Monaten mit Vertretern der EU-Staaten über das Projekt verhandeln.