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Veröffentlicht am 22.02.2013, 20:47
Börsen-Zeitung: Die Vorsicht siegt, Marktkommentar von Georg Blaha

Frankfurt (ots) - Wenn Markterwartungen enttäuscht werden, schafft

das meistens Unruhe. Die Unsicherheit für die Teilnehmer steigt,

Risikoassets wie Aktien werden verkauft und die Kurse für 'sichere

Häfen' wie Bundesanleihen legen zu, kurz: Es breitet sich eine mehr

oder weniger ausgeprägte Krisenstimmung aus. Bei den Sondertilgungen

der Banken für den zweiten Dreijahrestender war es diesmal anders. Am

Freitag gab die Europäische Zentralbank (EZB) die für die neue Woche

geplanten Rückzahlungen bekannt. Mit 61,1 Mrd. Euro liegt das Volumen

nur bei knapp der Hälfte der von Analysten und Händlern

veranschlagten 125 Mrd. Euro. Dennoch blieb eine panische

Marktreaktion aus, einzig der Euro reagierte mit leichten Verlusten.

Dabei galt doch gemäß Markterwartung: Je höher das Tilgungsvolumen,

desto besser die Refinanzierungssituation für Eurolands Banken.

Doch das niedrigere Volumen ist im aktuellen Umfeld die bessere

Nachricht. Die Regierungsbildung in Italien dürfte längere Zeit in

Anspruch nehmen, gleich wer aus den Parlamentswahlen des Wochenendes

als Sieger hervorgeht. Damit könnte die Reform- und Rettungsagenda

für die Währungsunion an Fahrt verlieren, auch wenn sie weiter auf

Kurs bleiben dürfte. Das sorgt für Nervosität am Markt, ebenso die

vielen Fragezeichen hinter der konjunkturellen Entwicklung in den USA

und China. Dass die Banken in Euroland nun doch etwas länger an den

EZB-Mitteln festhalten, um für alle Fälle eine Vorsichtskasse zu

haben, ist nur plausibel.

Kleiner Entzugsschock

Viele Analysten hatten erwartet, dass die Institute den

erstmöglichen Rückzahlungstermin für den zweiten Dreijahrestender am

27. Februar genauso rege nutzen würden, wie sie es bei den

Sondertilgungen für das erste dreijährige Refinanzierungsgeschäft

taten. Gut 137 Mrd. Euro gingen am 30. Januar auf einen Schlag

zurück, woraufhin so etwas wie ein kleiner Entzugsschock am Geldmarkt

einsetzte. Die folgenden Tilgungen - Banken können diese jede Woche

vornehmen - waren weit geringer und lagen im einstelligen

Milliardenbereich. Mit den beiden Dreijahrestendern hatte die EZB den

Instituten Ende 2011 und Anfang 2012 netto rund 500 Mrd. (brutto rund

1 Bill.) Euro geliehen. Mit der Rückzahlung am 27. Februar haben die

Geldhäuser insgesamt rund 212 Mrd. Euro vorzeitig getilgt.

Einige Experten hatten für den Rückzahlungstermin Ende Februar

sogar noch höhere Volumina geschätzt als die genannten 125 Mrd. Euro.

Banken könnten sich dazu verleitet sehen, alle Überschüsse zu tilgen,

um dem Markt zu demonstrieren, dass sie nicht mehr auf die Hilfe der

EZB angewiesen sind. Es ist gut, dass es zumindest bislang nicht zu

solch einer Variation des 'Herdenverhaltens' gekommen ist. Zudem wäre

die EZB möglicherweise in einen hektischen Aktionismus gezwungen

geworden, einem zu raschen Liquiditätsentzug gegenzusteuern, was

wieder neue Unsicherheit und Marktverwerfungen geschaffen hätte. Ein

schleichender Entzug der Liquidität, wie er sich nun andeutet, ist

die bessere Alternative.

Marktteilnehmer werden die wöchentlichen Tilgungsdaten aber im

Auge behalten. Die Rückzahlungen beeinflussen die

Überschussliquidität des Eurosystems und diese die Zinsen am kurzen

Ende. Von den Höchstständen um 800 Mrd. Euro Anfang 2012 sind die

Überschüsse deutlich heruntergekommen (siehe Grafik). Aufwärtsdruck

für die Zinsen gibt es laut EZB und Analystenschätzungen erst ab der

Schwelle von 200 Mrd. Euro. Dies ist der Erfahrungswert, der sich mit

dem Auslaufen der einjährigen Krisentender der Notenbank Mitte 2010

gezeigt hatte.

Die Geldmarktanalysten von Barclays rechnen damit, dass im ersten

Halbjahr noch weitere 100 Mrd. Euro vorzeitig getilgt werden. Ein

guter Teil davon soll dann laut Barclays-Schätzung von italienischen

Instituten kommen, die bislang an den EZB-Mitteln festgehalten haben.

Die Überschussliquidität werde dann auf 300 Mrd. Euro sinken. Das ist

noch immer weit genug entfernt von der Schwelle, ab der Auswirkungen

auf die Zinsen zu erwarten wären. Eonia, der Satz für unbesicherte

Übernachtausleihungen, dürfte sich vorerst weiter in der Spanne von

0,06% bis 0,08% bewegen. Sollte in Euroland wieder mehr Zuversicht

gefasst werden und der Interbankenhandel in Schwung kommen, könnte

Eonia sogar noch etwas nachgeben, erwartet die Royal Bank of

Scotland. Und solange sich auf der Zinsseite nichts tut, steht auch

der Euro nicht unter Aufwertungsdruck, was der EZB angesichts der

Debatte um Abwertungswettläufe sicher auch nicht ungelegen kommt.

Enttäuschte Markterwartungen müssen nicht immer etwas Schlechtes

sein.

Originaltext: Börsen-Zeitung

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