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BERLIN (dpa-AFX) - Ungeachtet der Energiepreiskrise will die Bundesregierung mit Dutzenden Maßnahmen auf allen Ebenen das Ziel von 400 000 neuen Wohnungen pro Jahr erreichen. "Wir halten an dem Ziel fest", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch in Berlin. Gelingen soll dies mit rund 190 Maßnahmen, auf die sich Bauwirtschaft, Gewerkschaften, Länder, Kommunen und weitere Verbände im "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" verständigten. Der Mieterbund, der Eigentümerverband Haus & Grund und die Opposition kritisierten das Ausbauziel der Regierung als unrealistisch.
Scholz sagte, die geplanten Schritte sollten der Schaffung bezahlbaren Wohnraums neuen Schub verleihen. Gerade angesichts schwierigerer Zeiten sei dies wichtig, so Scholz mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und die daraus resultierende Energiepreiskrise. Am Bedarf der Bürgerinnen und Bürger an günstigen Wohnungen habe sich nichts geändert. Die geplanten Energiepreisbremsen trügen im Übrigen dazu bei, dass die Nebenkosten nicht ins Unermessliche steigen würden, betonte Scholz.
Bauministerin Klara Geywitz (SPD) machte deutlich, dass auch Menschen mit geringem Einkommen in die Lage versetzt werden sollten, Eigentum zu bilden. Dies solle staatlich unterstützt werden. Im Kern sollen in den kommenden Jahren die Baukosten gedrückt sowie Planung und Genehmigung entbürokratisiert werden. Durch Bauen in Serie soll es bundesweit mehr Tempo beim Neubau geben.
Der Präsident des Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, sieht die Arbeit des Bündnisses als von der Realität überholt an. "Wir sind meilenweit vom Ziel der Bundesregierung entfernt, in diesem Jahr 400 000 Wohnungen zu bauen", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Haus-&-Grund-Chef Kai Warnecke sagte auf Bayern 2: "Da kann sich die Bundesbauministerin bemühen, wie sie mag. Das ist ein Ziel, das nicht mehr erreichbar ist." Rund 200 000 Wohnungen seien in diesem Jahr realistisch. "Und wenn man die Baugenehmigungen und Bauanträge anguckt, dann wird das in den nächsten Jahren immer weniger werden, wahrscheinlich sogar unter die 100 000 rutschen", so Warnecke.
Die Pläne des "Bündnisses bezahlbarer Wohnraum" im Überblick:
Serielles und modulares Bauen: Dies soll gefördert werden und zur Begrenzung der Baukosten beitragen. Bei hoher Stückzahl sollen mit gleichbleibender Qualität besonders nachhaltige Gebäude mit hohem Energieeffizienzstandard und positiver Ökobilanz errichtet werden.
Innenstädte: Ein Ziel insgesamt ist die weitere Verdichtung von Innenstädten. Nachverdichtung und Dachgeschossausbau sollen befördert werden. Überprüft werden sollen dafür Abstandsregelungen, Brandschutz, Denkmalschutz, Natur- und Schallschutz. Brachflächen sollen revitalisiert werden. Nur noch maximal 30 Hektar Fläche sollen bis 2030 täglich neu für Siedlung und Verkehr verbraucht werden.
Stellplätze: Ein Beispiel für geplante Vereinfachungen ist, dass die Kommunen auf eine bisher übliche, nachträgliche Erhöhung der vorgeschriebenen Zahl von Stellplätzen für Autos verzichten können sollen, wenn Häuser aufgestockt werden.
Bauförderung: Eine eigenständige Neubauförderung soll etabliert und aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert werden - Ziel sind Anreize für Investitionen in den bezahlbaren Wohnraum. Die Umsetzung soll durch den Bund bis 1. Januar 2023 erfolgen. Für den sozialen Wohnungsbau sollen die Bundesmittel auf die "Rekordsumme" (Scholz) von 14,5 Milliarden Euro für 2022 bis 2026 aufgestockt werden.
Wohngemeinnützigkeit: Die Bundesregierung will eine neue Wohngemeinnützigkeit auf den Weg bringen - verbunden mit einer steuerlichen Förderung und Investitionszulagen. So soll eine neue Dynamik für Bau und Erhalt bezahlbaren Wohnraums erzeugt werden.
Standards: Bauliche Anforderungsniveaus sollen überprüft werden. An die Stelle von hohen marktüblichen Standards sollen verstärkt Mindeststandards treten. Insgesamt soll das gesamte Normungswesen vereinfacht werden.
Beschleunigung von Planung und Genehmigungen: Als Schlüssel sieht das Bündnis die Digitalisierung an. Aber auch eine möglichst verbesserte Personalausstattung in den Behörden der Kommunen soll dazu dienen.
Wohnungslosigkeit: Bis 2030 soll die Obdach- und Wohnungslosigkeit überwunden werden. Das Bau-Bündnis will mit einem Nationalen Aktionsplan zur Überwindung der Wohnungslosigkeit mithelfen.
Der CDU-Bauexperte Jan-Marco Luczak kritisierte die Ergebnisse des Bündnisses. "Trotz der vielen hundert Stunden gemeinsamer Sitzungen finden sich auf den 67 Seiten Text vor allem Formelkompromisse, gute Vorsätze und Prüfaufträge", sagte Luczak.
Mieterbund-Präsident Siebenkotten betonte, keineswegs gelöst sei das Problem des immer teurer werdenden Wohnens. Bundesweit sind die Kaltmieten zuletzt innerhalb eines Jahres im Schnitt um drei Prozent gestiegen. Der durchschnittliche inserierte Quadratmeterpreis lag im ersten Halbjahr 2022 bei 9,64 Euro, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Caren Lay hervorgeht, die der dpa vorliegt.