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ISTANBUL (dpa-AFX) - Erstmals seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat wieder ein Schiff mit Getreide den Hafen von Odessa verlassen. Nachdem der Start für 7.30 Uhr MESZ angekündigt worden war, brach das Frachtschiff "Razoni" am Montagmorgen um 8.18 Uhr MESZ über das Schwarze Meer in Richtung Libanon auf. Es hat nach offiziellen Angaben rund 26 000 Tonnen Mais geladen.
Die unter der Flagge des westafrikanischen Landes Sierra Leone fahrende "Razoni" werde am Dienstag gegen 14.00 Uhr MESZ vor der Küste der Meerenge Bosporus in Istanbul erwartet, wo sie vor der Weiterfahrt inspiziert werde, sagte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. "Nach dem Ankern wird die gemeinsame Delegation es kontrollieren", so Akar. Nach ukrainischen Angaben warten bereits 16 weitere Schiffe in den Häfen am Schwarzen Meer darauf, ablegen zu können.
Mit der Lieferung sollen Millionen Tonnen Getreide wieder für den Weltmarkt verfügbar werden. Die Ukraine zählte vor dem russischen Angriffskrieg zu den wichtigsten Getreide-Exporteuren der Welt. Für sie geht es um Milliardeneinnahmen aus dem Verkauf unter anderem von Weizen und Mais.
Die Führung in Kiew wertete die Wiederaufnahme des Getreide-Exports als großen Erfolg. "Heute macht die Ukraine gemeinsam mit Partnern einen weiteren Schritt zur Verhinderung des Hungers in der Welt", teilte Infrastrukturminister Olexander Kubrakow bei Facebook (NASDAQ:META) mit.
Die Kriegsgegner Ukraine und Russland hatten am 22. Juli unter Vermittlung der Vereinten Nationen jeweils getrennt mit der Türkei ein Abkommen in Istanbul unterzeichnet, um von drei Häfen Getreideausfuhren aus der Ukraine zu ermöglichen. Von der Vorjahresernte warten ukrainischen Angaben zufolge noch über 20 Millionen Tonnen Getreide auf die Ausfuhr. Die Silos müssen wegen der neuen Ernte dringend freigemacht werden.
Der Hafenbetrieb war nach der russischen Invasion Ende Februar aus Sicherheitsgründen eingestellt worden. Moskau wurde eine Blockade der ukrainischen Getreide-Ausfuhren vorgeworfen. Russland sicherte in dem Abkommen nun zu, Schiffe über einen Seekorridor fahren zu lassen und diese sowie beteiligte Häfen nicht anzugreifen.
Der Frachter "Razoni" und alle folgenden Schiffe werden von einem Kontrollzentrum in Istanbul überwacht. Das ist mit Vertretern Russlands, der Ukraine, der Vereinten Nationen und der Türkei besetzt. Die durch Istanbul verlaufende Meerenge Bosporus ist der einzige Seeweg vom Schwarzen Meer zum Mittelmeer. Die Türkei hat die Hoheit über den Bosporus.
Schiffe sollen bei der Ein- und Ausfahrt ins Schwarze Meer inspiziert werden. So soll auf Verlangen Russland sichergestellt werden, dass die Schiffe keine Waffen oder Ähnliches an Bord haben. Russland befürchtet, dass die Ukraine aus dem Erlös des Getreideverkaufs Waffen beschafft.
Das Abkommen umfasst die ukrainischen Häfen Odessa, Tschornomorsk und Juschny (Piwdennyj). Durch die Wiederinbetriebnahme von den drei Häfen könne die Wirtschaft der Ukraine mindestens eine Milliarde US-Dollar (rund 980 Millionen Euro) einnehmen und Planungen im Agrarsektor ermöglichen, sagte der ukrainischen Minister Kubrakow. Zusätzlich zu den 16 warteten Schiffen erhielten die ukrainischen Behörden nun Anträge zur Ankunft weiterer Schiffe, die ebenfalls mit landwirtschaftlichen Produkten beladen werden sollen.
Russland hatte nur einen Tag nach der in Istanbul getroffenen Vereinbarung den Hafen von Odessa beschossen und damit zwischenzeitlich die Besorgnis ausgelöst, dass der Getreidedeal platzen könne.
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu schrieb auf Twitter (NYSE:TWTR), er hoffe, dass die Exporte ohne Unterbrechungen und Probleme fortgesetzt werden und "das Abkommen zu einem Waffenstillstand und dauerhaften Frieden führen wird". Die UN und die Türkei hatten bei der Unterzeichnung des Abkommens mit Russland und der Ukraine von einem Zeichen der Hoffnung in Kriegszeiten gesprochen.
Die Nahrungsmittel aus der Ukraine werden auf dem Weltmarkt - vor allem in Asien, Afrika und Nahost- dringend benötigt. Die Vereinten Nationen warnten zuletzt schon vor der größten Hungersnot seit Jahrzehnten.