(neu: Aussagen aus der Telefonkonferenz, Analysten, Aktienkurs.)
MÜNCHEN (dpa-AFX) - Die hohen Abschreibungen auf die Beteiligung an Siemens Energy (ETR:ENR1n) sowie weitere Belastungen im Zusammenhang mit dem Rückzug aus Russland haben dem Technologiekonzern Siemens (ETR:SIEGn) im dritten Geschäftsquartal einen Milliardenverlust eingebrockt. Daher senkten die Münchner am Donnerstag ihren Ergebnisausblick. Abseits dessen laufen die Geschäfte jedoch robust. So kann Siemens auf volle Auftragsbücher blicken, wobei das Management um Konzernchef Roland Busch von einer baldigen Normalisierung ausgeht. Die Umsatzprognose bestätigte der Konzern.
Nach Steuern stand im dritten Geschäftsquartal ein Fehlbetrag von rund 1,5 Milliarden Euro zu Buche, nach einem Gewinn von knapp 1,5 Milliarden Euro ein Jahr zuvor, wie das Unternehmen in München mitteilte. Es ist nach Angaben eines Unternehmenssprechers der erste Verlust seit dem vierten Quartal 2010.
Die Aktie verlor am späten Donnerstagvormittag knapp 1,7 Prozent. Marktexperten lobten durchweg die starke Auftragslage des Konzerns, dem die Belastungen aus Russland gegenüberstünden. Der Industriekonzern habe operativ ein weiteres starkes Quartal hinter sich, schrieb Berenberg-Analyst Philip Buller in einer ersten Reaktion. UBS-Experte Guillermo Peigneux Lojo zeigte sich hingegen von operativem Gewinn und Marge enttäuscht.
Siemens hatte auf Siemens Energy wegen der schwachen Entwicklung 2,7 Milliarden Euro abschreiben müssen. Der Energietechnikkonzern war vor knapp zwei Jahren abgespalten worden, Siemens hält noch rund 35 Prozent an dem Unternehmen. Siemens Energy war wegen Problemen in seinem derzeit verlustträchtigen Windenergiegeschäft in Turbulenzen geraten und musste mehrfach seine Erwartungen zurückschrauben - der Aktienkurs steht daher seit einiger Zeit unter Druck. Kurzfristige Anteilsverkäufe schloss Siemens-Finanzchef Ralf Thomas in einer Telefonkonferenz daher aus. Siemens hatte bei der Abspaltung angekündigt, seine Beteiligung weiter reduzieren zu wollen.
Die Russland-bezogenen Belastungen bezifferte der Konzern im Quartal zudem auf knapp 600 Millionen Euro. Damit hat der Ausstieg aus dem russischen Markt, der insbesondere die Zugsparte betrifft, Siemens nach Angaben von Thomas bislang rund 1,1 Milliarden Euro gekostet. Weitere Wertkorrekturen schloss er nicht aus. Diese könnten sich auf einen niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag belaufen.
Siemens senkte die Ergebnisprognose für das laufende Geschäftsjahr 2021/22 (per Ende September). So erwartet der Konzern ein Ergebnis je Aktie vor bestimmten Kaufpreisallokationen von 5,33 bis 5,73 Euro, nach 8,32 Euro im Vorjahr. Zuvor war Siemens von 8,70 bis 9,10 Euro ausgegangen. Dabei will Siemens durch den Verkauf von Unternehmensteilen mehr erlösen als zunächst geplant. Die erwarteten Gewinne bezifferte Thomas nun auf etwa 2,2 Milliarden Euro, nach zuvor in Aussicht gestellten 1,5 Milliarden. Die Umsatzprognose wurde bestätigt.
Abseits dessen lief es operativ robust. Das Ergebnis der industriellen Geschäfte legte wie von Analysten erwartet um mehr als ein Viertel auf knapp 2,9 Milliarden Euro zu. Allerdings begünstigte der Gewinn aus dem Verkauf von Yunex Traffic die Entwicklung. Umsatz und Auftragseingang stiegen ebenfalls - der Konzern profitierte dabei auch vom schwachen Euro. Beide Werte fielen deutlich besser aus, als Experten es erwartet hatten.
"Unser Auftragsbestand erreichte mit 99 Milliarden Euro erneut einen Rekord - und er hat eine hohe Qualität", kommentierte Vorstandschef Busch die Entwicklung in der Telefonkonferenz. Einer der Wachstumstreiber war das Geschäft mit der Fabrikautomatisierung, aber auch das Geschäft mit smarter Infrastruktur wuchs deutlich.
"Es war kein einfaches Quartal", sagte Busch. Siemens zeige jedoch viele Stärken und habe das Momentum beim Wachstum fortgesetzt. Dennoch hat auch Siemens mit Lieferkettenengpässen sowie steigenden Arbeits- und Einkaufskosten zu kämpfen. In China belasteten die coronabedingten Lockdowns die Produktion. Seit Juni verzeichne das Unternehmen hier jedoch eine starke Erholung. Höhere Kosten will Siemens durch Preiserhöhungen und Effizienzsteigerungen auffangen.
Einem möglichen Gasengpass kann Siemens im Moment recht gelassen entgegenblicken. "Derzeit sehen wir nur geringe direkte Auswirkungen auf unsere Fabriken, weil unsere Produktion nicht energieintensiv ist", erläuterte Busch. Den Strombedarf in Europa decke Siemens zu fast 100 Prozent aus erneuerbaren Energien. Erdgas werde nur in einigen nachgelagerten Bereichen der Produktion genutzt. "Und falls das Gas knapp wird, haben wir vorbeugende Maßnahmen getroffen, um unsere Produktion aufrechtzuerhalten.