(neu: Aussagen zu Treffen mit Lapid)
BERLIN/JERUSALEM (dpa-AFX) - Vizekanzler Robert Habeck setzt nur begrenzte Hoffnungen auf Gasimporte aus Israel. "Israel hat auch ein großes Gasfeld, das ist zwar leicht zu explorieren", ein kurzfristiger Gasexport nach Europa von dort wäre jedoch mangels Infrastruktur nicht leicht zu bewerkstelligen. Eine Infrastruktur aufzubauen, die etwa 2027 fertiggestellt wäre "und dann nach fünf Jahren schon wieder rückgebaut werden muss, das macht dann auch keinen Sinn", sagte der Bundeswirtschaftsminister am Montag vor seinem Abflug nach Israel.
Falls allerdings kurzfristig eine Kooperation mit Anrainerstaaten, die Terminals für Flüssiggas haben, zustande käme, "dann könnte das sicherlich helfen". Schwerpunkt seiner Reise sei jedoch der Ausbau von erneuerbaren Energien. Darum gehe es in der Zusammenarbeit auch mit den Staaten Nordafrikas, bekräftigte Habeck dann am Nachmittag in Jerusalem nach einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett.
Beim Ausbau der Energie-Zusammenarbeit Israels mit arabischen Nachbarstaaten sieht der Wirtschafts- und Klimaschutzminister Chancen auch für deutsche Firmen. Man habe darüber gesprochen, wie dieser Prozess sich entwickle und darüber, ob es für europäische oder deutsche Firmen die Möglichkeit gebe einzusteigen, sagte er. "Die gibt es scheinbar." Israel, Jordanien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) hatten im November ein gemeinsames Energieprojekt vereinbart. Israel soll Jordanien demnach mit entsalztem Wasser versorgen und im Gegenzug Solarstrom erhalten. Zu diesem Zweck soll ein Solarkraftwerk in der jordanischen Wüste gebaut werden, das mit Geld aus den VAE finanziert wird.
Zum Thema Nahost-Konflikt sagte Habeck, er habe in seinem Gespräch mit Ministerpräsident Bennett mehrfach darauf hingewiesen, "dass die Situation sich für die Palästinenser und in den palästinensischen Gebieten verbessern muss". Seit März sind bei einer Terrorwelle in Israel 18 Menschen getötet worden. Im Westjordanland wurden ein israelischer Wachmann und ein Soldat von Palästinensern erschossen. Seit Wochen führt die israelische Armee in Teilen des besetzten Westjordanlands Razzien durch. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums kamen seit Ende März mehr als 30 Palästinenser ums Leben. Sie wurden zum Teil bei Militäreinsätzen getötet, aber auch bei eigenen Anschlägen oder bei Zusammenstößen mit der Armee.
Das israelische Raketenabwehrsystem "Arrow 3" sei in seinem Gespräch mit Bennett kein Thema gewesen, sagte Habeck. Verteidigungspolitiker des Bundestags hatten sich im März in Israel ein Bild von dem System gemacht, das Langstreckenraketen abwehrt. Um den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ging es Habeck zufolge nur am Rande. Die israelische Seite habe unterstrichen, dass ein völkerrechtswidriger Krieg inakzeptabel sei. Er habe mit Außenminister Jair Lapid auch besprochen, ob und wann eine diplomatische Initiative eine Chance haben könne. "Aber natürlich gibt es jetzt erst mal darum, in eine Situation zu kommen, dass Diplomatie überhaupt wieder gehört wird."
Als "ein Thema von größter Besorgnis" bezeichnete Habeck Getreidelieferungen in Länder der Region, die als Folge des Ukraine-Kriegs wegbrechen. Habeck sprach von einer "außerordentlichen Bedrohung". "Israel ist in der Lage, die zu ersetzen und auf dem Markt einzukaufen. Aber die Nachbarländer möglicherweise nicht in dem gleichen Maße." Er sei sich mit Außenminister Lapid einig gewesen, dass dies neben Hunger auch politische Instabilität auslösen könne. Israel bemühe sich, die Region mit Weizen zu versorgen. "Was Deutschland tun kann zu helfen, was Europa tun kann zu helfen, das muss es auch tun."
Der Grünen-Politiker besucht bis Donnerstag den Nahen Osten. Bei der Reise soll es um Energie- und Klimaschutz sowie aktuelle Fragen der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen gehen. Am Dienstagmorgen steht ein Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem an, bevor Habeck weiter in die Palästinensergebiete und dann nach Jordanien reist.