AMSTERDAM/FRANKFURT (dpa-AFX) - Der Gaspreis in Europa hat seinen Höhenflug nach der Ankündigung einer erneuten Liefer-Unterbrechung bei der Pipeline Nord Stream 1 fortgesetzt. Nachdem der für den europäischen Gashandel richtungsweisende Terminkontrakt TTF an der Energiebörse in Amsterdam bereits in der vergangenen Woche deutlich gestiegen war, hat er am Montag den Aufwärtstrend beschleunigt. Am Vormittag stieg der Preis um mehr als 15 Prozent auf fast 293 Euro je Megawattstunde. Die Bundesbank warnte vor einer Gasmangellage in den Wintermonaten.
Nur in der Zeit unmittelbar nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine war der Preis für das in Europa gehandelte Erdgas für kurze Zeit höher und hatte Anfang März einen Spitzenwert über der Marke von 300 Euro erreicht.
Am Markt wurde der aktuelle Höhenflug beim Gaspreis mit der Aussicht auf eine erneute Unterbrechung der russischen Gaslieferungen nach Europa durch die Pipeline Nord Stream 1 erklärt. Russland hatte am Freitag angekündigt, Gaslieferungen über die Ostseepipeline Nord Stream 1 Ende August für drei Tage zu stoppen. Vom 31. August bis zum 2. September werde wegen Wartungsarbeiten kein Gas fließen, teilte der Staatskonzern Gazprom (MCX:GAZP) mit.
Nach den Wartungsarbeiten sollen den russischen Angaben zufolge täglich 33 Millionen Kubikmeter Erdgas geliefert werden. Das entspricht den 20 Prozent der täglichen Maximalleistung, auf die Russland die Lieferung schon vor einigen Wochen verringert hat.
Die unsichere Gasversorgung berge weiterhin ein hohes Risiko für die deutsche Wirtschaft, wie die Bundesbank in ihrem Monatsbericht schreibt. Ohne "zusätzliche, substanzielle Einsparungen bei Industrie und privaten Haushalten" bleibe das Risiko eines Gasmangels im Winterhalbjahr hoch, mahnen die Experten. Zu derselben Einschätzung sei auch die Bundesnetzagentur gekommen. "Dementsprechend hat sich die Gefahr, dass die Wirtschaftsleistung im kommenden Winter zurückgeht, deutlich erhöht", heißt es weiter im Monatsbericht der Bundesbank.
Mit Blick auf die Pipeline Nord Stream 1 plädierte Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding dafür, Ruhe zu bewahren. "Weil Russland bereits deutlich weniger Gas durch die Pipeline schickt, trägt sie laut Bundesnetzagentur nur elf Prozent zu den deutschen Gas-Importen bei", schreibt Schmieding. Kurzfristig mache Nord Stream 1 also keinen großen Unterschied.
Unterdessen bemüht sich die Bundesregierung, für die Gasversorgung weitere Quellen anzuzapfen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) brachen am Sonntag nach Kanada auf, um unter anderem die Partnerschaft im Bereich Wasserstofftechnologie und Flüssiggas (LNG) zu stärken. Mehr Flüssiggas aus Kanada ist in den nächsten ein bis zwei Jahren allerdings noch nicht zu erwarten, weil die Infrastruktur dafür noch fehlt.