MÜNCHEN (dpa-AFX) - Ein dauerhafter russischer Gaslieferstopp würde nach Einschätzung des Schweizer Beratungsinstituts Prognos auch Strom in den kommenden Monaten noch einmal stark verteuern. In Modellrechnungen für die bayerische Wirtschaft gehen die Prognos-Fachleute in ihrem "oberen Strompreispfad" davon aus, dass die Großhandelspreise im Laufe des nächsten Jahres bei über 500 Euro pro Megawattstunde liegen könnten, um erst anschließend wieder zu sinken. Die Schätzung beruht auf der Annahme, dass Russland kein Gas mehr liefert.
Für den "mittleren Strompreispfad" gehen die Autoren davon aus, dass Russland in reduziertem Umfang weiter Gas an Deutschland verkauft. In diesem Fall rechnen sie damit, dass die Strom-Großhandelspreise 2023 bei etwa 189 Euro liegen würden, nicht wesentlich höher als derzeit. Auftraggeber war die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) in München.
Fünfhundert Euro pro Megawattstunde würden einem Kilowattstundenpreis von 50 Cent entsprechen. Die Prognos-Schätzungen beziehen sich auf den Großhandel. Als Endverbraucher zahlen viele Privatkunden derzeit noch unter 30 Cent/kWh.
Sollte Russland die Gaslieferungen in vollem Umfang wieder aufnehmen, könnten die Preise laut Prognos im "unteren Strompreispfad" im nächsten Jahr auf gut 100 Euro pro Megawattstunde sinken. Die Autoren betonen, dass die Entwicklung der Strompreise bis Mitte des Jahrzehnts sehr unsicher sei.
Bis 2027/28 erwarten die Prognos-Berater dann wieder deutlich sinkende Strompreise. In allen drei Szenarien gehen sie jedoch davon aus, dass Strom dauerhaft teurer bleiben wird als vor Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg.
Gas- und Strompreise hängen zusammen, weil Erdgas auch in Kraftwerken für die Stromproduktion verwendet wird. Ist Gas knapp, schlägt das auf die Strompreise durch, außerdem ist auch Kohle teurer geworden. "Strom ist für deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich einfach zu teuer", sagte Bertram Brossardt, der Hauptgeschäftsführer der vbw. "Die hohen Strompreise sind enorme zusätzliche Belastungen für die Unternehmen."
Brossardt forderte Abhilfe von der Bundesregierung, darunter eine vorübergehende Änderung des Preismechanismus am Strommarkt. Bisher richtet sich dieser nach den "Grenzkosten" - das sind die Produktionskosten des teuersten Kraftwerks. Brossardt forderte außerdem eine Senkung der Stromsteuer auf das nach Europarecht niedrigstmögliche Niveau.