BRÜSSEL (dpa-AFX) - Trotz der angespannten Situation an den Getreidemärkten sieht Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) Ausnahmen von Flächenstilllegungen kritisch. "Wir können gerne diskutieren über Flächen, dann reden wir aber über das ganze Bild", sagte er am Montag in Brüssel. Dann rede man zum Beispiel auch über einen Umbau der Tierhaltung, um Flächen für Nahrung zu gewinnen, statt sie für Futterproduktion zu nutzen.
Hintergrund ist, dass in der EU ab 2023 mindestens vier Prozent der Ackerfläche nicht mehr bewirtschaftet werden sollen. Damit sollen Tier- und Pflanzenwelt geschützt werden. Seit Ausbruch von Russlands Krieg gegen die Ukraine waren Forderungen lauter geworden, weniger strengen Umweltschutz zu betreiben, um mehr Getreide zu produzieren. Özdemir hält davon wenig. "Wir sind mittendrin in der Klimakrise, man könnte auch sagen in der Klimakatastrophe", sagte er.
Der Bundesminister bekräftigte, dass er Ausnahmen für künftige Fruchtfolgeregeln für sinnvoller halte. Berechnungen des Agrarministeriums zeigten, dass auf diese Weise deutlich mehr Getreide geerntet werden könne. Fruchtfolgen - also der Wechsel von verschiedenen Pflanzen auf dem Acker - sollen im Gegensatz zu Monokulturen Böden schonen oder weniger Pestizide nötig machen. Ein Anbau von Weizen auf Weizen in Deutschland bringe voraussichtlich 3,4 Millionen Tonnen mehr ein. Eine Aussetzung der Vier-Prozent-Regel würde in der gesamten Europäischen Union hingegen nur 3,6 bis 5,3 Millionen Tonnen mehr Weizen einbringen.
In der Ukraine liegen derzeit Millionen Tonnen Weizen, die wegen Russlands Krieg gegen das Land nicht exportiert werden können. Da das Land einer der weltweit wichtigsten Exporteure des Grundnahrungsmittels ist, waren Preise auch in Folge des Kriegs gestiegen. Viele befürchten, dass der Konflikt den Hunger in der Welt befeuern wird. Özdemir betonte, dass die politische Stabilität einiger Länder auch vom Brotpreis abhänge.