- von Silvia Aloisi und Frank Siebelt und Steve Scherer
Rom/Mailand (Reuters) - In Italien müssen die Steuerzahler für die Rettung von zwei Banken tief in die Tasche greifen: Bis zu 17 Milliarden Euro stellt die Regierung für die Institute Veneto Banca und Banca Popolare di Vicenza bereit, die zuletzt von der EZB-Bankenaufsicht als wahrscheinlich nicht mehr überlebensfähig eingestuft wurden.
Sie sollen so abgewickelt werden, dass Kunden, Gläubiger und Beschäftigte so wenig wie möglich bluten müssen. Die Zweigstellen der Institute samt Beschäftigten werden von der italienischen Großbank Intesa Sanpaolo (MI:ISP) übernommen und sollen am Montagmorgen regulär öffnen, wie Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan am Sonntag nach einer Sondersitzung des Kabinetts erläuterte.
Italiens Vorgehen dürfte für eine neue Debatte über Bankenrettungen in Europa sorgen. Denn als Lehre aus der Finanzkrise sollte eigentlich ein seit Anfang 2016 greifender einheitlicher Abwicklungsmechanismus (SRM) verhindern, dass Geldhäuser in der EU erneut mit Steuermilliarden gerettet werden.[nL8N1J42HY] Erst kürzlich war es in Spanien zu einer Bankenrettung gekommen, bei der keine öffentlichen Gelder fließen. Die vor dem Zusammenbruch stehende Banco Popular (MC:POP) kam bei der heimischen Großbank Santander unter.
Die Regierung in Rom bemühte sich seit Monaten um die beiden angeschlagenen Regionalbanken aus dem Veneto, die zuletzt etwa insgesamt 6,4 Milliarden Euro frisches Kapital benötigten. Ein erster Plan, die Gelder bei Investoren einzusammeln, war gescheitert. Am Freitag kam es dann zu einer Einigung mit der EU-Kommission. Diese bekräftigte nun ihre Zustimmung für einen Plan der Regierung, die zwei Geldhäuser unter Einsatz von Staatshilfen nach heimischem Insolvenzrecht abzuwickeln.[nL8N1JK4X6] Dabei wird eine Ausnahme in den Vorschriften genutzt. Diese gestattet routinemäßige Insolvenzverfahren bei solchen Banken, die nicht als wichtig für das Finanzsystem eingestuft werden. Das Vorgehen liegt dann in den Händen der einzelnen Mitgliedsstaaten.
PARLAMENT MUSS NOTERLASS ABSEGNEN
Die italienische Regierung beschloss am Sonntag ein Notdekret, in dem die Zerschlagung der zwei Banken geregelt wird. Es muss binnen 60 Tagen vom Parlament abgesegnet werden. Nach Worten Padoans zahlt der Staat zunächst 5,2 Milliarden Euro an Intesa, die die gesunden Geschäftsteile der Institute übernimmt. Darin enthalten sind 1,2 Milliarden Euro zur Sicherung von Arbeitsplätzen. Zusätzlich sollen bis zu zwölf Milliarden Euro an Garantien zur Verfügung gestellt werden, um mögliche Verluste durch faule Kredite abzudecken. Derartige Kredite sowie Rechtsrisiken werden in eine sogenannte Bad Bank ausgelagert, für die teilweise der Staat aufkommt. Auch Inhaber nachrangiger Anleihen und Aktionäre müssen einen Teil der Kosten tragen.
Die Belastungen für die italienischen Steuerzahler fallen mit bis zu 17 Milliarden Euro weitaus höher aus als bislang erwartet. Die EU-Kommission erklärte allerdings, die Nettokosten für den Staat dürften deutlich unter der genannten Höchstsumme liegen.
Die Regierung stand gehörig unter Druck. Der Erlass soll verhindern, dass Kunden der Geldhäuser in Massen ihre Konten leer räumen - mit schädlichen Folgen für den Finanzsektor des Landes. "Ohne das Angebot von Intesa Sanpaolo hätte die Krise der beiden Banken ernsthafte Auswirkungen auf das gesamte italienische Bankensystem gehabt", erklärte Intesa-Chef Carlo Messina.
"ZU VIELE SCHLUPFLÖCHER"
Die Bonner Wirtschaftsweise Isabel Schnabel verurteilte den Rettungsplan. Der Fall zeige deutlich, dass das europäische Abwicklungsregime viel zu viele Schlupflöcher biete, sagte sie der Zeitung "Die Welt". Es spreche vieles dafür, die Zuständigkeit der europäischen Bankenabwicklungsbehörde SRB auf kleinere Banken auszudehnen. Damit solle vermieden werden, dass die Gläubiger von Banken nach dem Gutdünken der Staaten von Verlusten verschont werden.
"Diejenigen, die uns kritisieren, sollten sagen, was eine bessere Alternative gewesen wäre. Ich kann keine sehen", betonte Wirtschaftsminister Padoan auf einer Pressekonferenz. Die Regierung in Rom wollte mit aller Macht verhindern, dass die neuen europäischen Regeln zur Bankenabwicklung greifen, da in diesem Falle - anders als beim nun beschlossenen Plan - auch auf Sparer mit mehr als 100.000 Euro auf dem Konto sowie Inhaber vorrangiger Anleihen Verluste zukommen würden. Intesa hatte für die Übernahmelösung eine Reihe von Bedingungen gestellt. Die Großbank wollte eine verbindlich Zusage, dass sie weder für Forderungen vor der Übernahme noch für Sanierungskosten geradestehen muss. Auch dürfe der Kauf weder die Eigenkapitalquote noch die Dividendenzahlungen belasten.
In Italien ächzen im Zuge der jahrelangen Wirtschaftsflaute viele Banken unter einem Berg an faulen Krediten. Anders als Spanien und Irland hat Italien keine EU-Gelder genutzt, um die Bilanzen der Geldhäuser zu sanieren.