von Robert Zach
Investing.com - Schnellen Schrittes nähert sich der Euro der Parität zum US-Dollar, also einem Austauschverhältnis von 1 zu 1. Mit 1,0053 Dollar erreichte die Gemeinschaftswährung vor wenigen Augenblicken den niedrigsten Stand seit 2002. Ein Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht. Denn: Die Angst vor einer drastischen Rezession wird von Tag zu Tag größer. Nicht nur, dass die Inflation in der Eurozone inzwischen völlig außer Kontrolle geraten ist und die EZB weiterhin kleine Brötchen backt und aller Voraussicht nach Mitte Juli zum ersten Mal seit 2011 die Zinsen anheben wird. Auch die Angst vor einem kompletten Gasstopp aus Russland wächst. Zwar werden derzeit nur Routinearbeiten an der Pipeline Nordstream 1 durchgeführt, so dass derzeit kein Gas nach Deutschland fließt. Doch in zehn Tagen, spätestens aber in zwei Wochen (konservative Schätzung der Bundesnetzagentur), schlägt die Stunde der Wahrheit. Wird Russland dann den Gashahn komplett zudrehen und Europa in eine der schlimmsten Rezessionen in der Geschichte der Staatengemeinschaft stürzen? Wissen tut das keiner, aber die Marktteilnehmer preisen derzeit genau so ein Szenario ein.
Neben den hausgemachten Problemen kommt auch noch die Dollar-Stärke hinzu. Der Greenback steigt und steigt. Grund dafür ist die extreme Divergenz in der Geldpolitik zwischen Europa und den USA. Während die Federal Reserve ihren Leitzins bereits relativ früh angehoben hat und sich der Gefahr einer ausufernden Inflation inzwischen sehr wohl bewusst ist, tanzt die EZB weiterhin ihren Namen und beschäftigt sich lieber mit Klimapolitik als mit ihrer eigentlichen Aufgabe, der Geldpolitik, und damit eben ihrem einzigen Ziel, der Wahrung der Preisstabilität. Damit nimmt die Zinsdifferenz zu den USA immer weiter zu und drückt den Euro weiter und weiter in Richtung Parität. Problem dabei ist, dass ein schwacher Euro die Inflation nur noch umso mehr anheizt.
Derzeit spricht also vieles dafür, dass der Euro schon bald weniger wert ist als ein US-Dollar.
Die Analysten der ING (AS:INGA) glauben nicht, dass der EUR/USD seinen jüngsten Abwärtstrend in dieser Woche schnell umkehren wird. Die meisten Haupttreiber der jüngsten Euro-Schwäche, wie z.B. die Risikostimmung und die Divergenz zwischen Fed und EZB, versprechen noch keine Besserung. Auch die anhaltende Sorge um eine Drosselung der russischen Gaslieferungen in die EU dürfte den Euro weiterhin eher unattraktiv halten. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire sagte, Europa müsse sich auf einen vollständigen Stopp der russischen Gaslieferungen vorbereiten, da die Pipeline Nord Stream-1 heute für 10 Tage wegen geplanter Wartungsarbeiten stillgelegt wird. Viele fürchten, dass Russland die Gelegenheit nutzen könnte, seine Exporte zu stoppen oder erheblich zu reduzieren.
Die ING weiter: "Es wurde viel über das Erreichen der Parität zwischen EUR und USD diskutiert. In Anbetracht der oben erwähnten Abwärtsrisiken ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies bereits in dieser Woche geschieht, recht hoch."