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MINSK (dpa-AFX) - Nach monatelangen schweren Kämpfen in der Ostukraine haben sich die Führung in Kiew und die prorussischen Separatisten erstmals gemeinsam auf eine Waffenruhe geeinigt. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko und Separatistenführer Andrej Sachartschenko befahlen am Freitag eine Feuerpause im Konfliktgebiet. "Die ganze Welt strebt nach Frieden. Nach Frieden strebt die ganze Ukraine - einschließlich der Millionen Bewohner des Donbass", sagte Poroschenko. Der Kreml begrüßte die Einigung beim Treffen der Kontaktgruppe in der weißrussischen Hauptstadt Minsk. Er will nun zwei neue Hilfskonvois in die Ostukraine schicken.
Sachartschenko sagte, wichtig sei ein Ende des Blutvergießens gewesen. Gespräche über eine mögliche Unabhängigkeit des von den Aufständischen kontrollierten Gebiets habe es in Minsk nicht gegeben. Doch das Thema ist nicht vom Tisch: Ein Separatistenführer in Lugansk sagte, die Einigung bedeute nicht, dass die Aufständischen ihr Ziel einer Abspaltung von der Ukraine aufgäben.
Es ist die erste von beiden Seiten vereinbarte Waffenruhe seit Beginn der ukrainischen "Anti-Terror-Operation" im April mit Tausenden Toten. Eine frühere Feuerpause hatte die Ukraine einseitig ausgerufen, diese war aber brüchig gewesen.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon mahnte, die Einigung könne nur bei glaubhafter und transparenter Überwachung Bestand haben. Er rief alle Beteiligten auf, sich für die Umsetzung dieser Feuerpause zu engagieren. Die internationale Gemeinschaft müsse sie darin unterstützen, genau wie die Vereinten Nationen dies tun würden. Eine militärische Lösung des Konflikts in der Ostukraine könne es nicht geben, betonte Ban.
Auch Kremlsprecher Dmitri Peskow begrüßte die Einigung. "Moskau hofft, dass der Verhandlungsprozess fortgesetzt wird, um die Krise in der Ukraine vollständig beizulegen", sagte er. Der Rubel-Kurs zum Euro und Dollar stieg nach Bekanntwerden der Waffenruhe.
Experten gehen davon aus, dass angesichts komplizierter Befehlsketten auf beiden Seiten des Konflikts eine Umsetzung der Waffenruhe nicht einfach werden dürfte. Die ukrainische Regierung werde ihre Truppen trotz der Feuerpause vorerst nicht aus der Kampfzone herausführen, kündigte Andrej Lyssenko vom Sicherheitsrat in Kiew an. Noch bis zur Einigung in Kiew hatte es bei Kämpfen in der Konfliktregion Tote und Verletzte gegeben.
Vereinbart wurde in Minsk ein aus zwölf Punkten bestehendes Protokoll: Darin einigten sich beide Seiten unter anderem auch auf einen Gefangenenaustausch. Dieser könne voraussichtlich am Samstag beginnen, sagte Lyssenko. Die Separatisten halten nach eigenen Angaben mehr als 1000 ukrainische Soldaten gefangen, die prowestliche Regierung demnach etwa 200 moskautreue Kämpfer. Der Austausch war auch Teil eines Friedensplans von Kremlchef Wladimir Putin.
Vorgesehen ist auch eine internationale Kontrolle der Feuerpause durch Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Poroschenko wies seine Regierung an, gemeinsam mit der OSZE die Kontrolle der Waffenruhe vorzubereiten. Die Organisation will nach den Worten von Russlands OSZE-Botschafter Andrej Kelin ihre Beobachtermission in dem Konfliktgebiet von 100 auf 500 Personen ausweiten. Auch Drohnen zur Überwachung der Krisenregion sind demnach im Gespräch.
Russland kündigte die Entsendung von zwei Hilfskonvois in die Krisenregion an. Eine erste Lieferung werde sich an diesem Samstag unter Leitung des Roten Kreuzes auf den Weg machen, sagte der russische Diplomat Michail Surabow. Ein zweiter Transport werde danach per Eisenbahn in die Krisenregion geschickt.
Zur Kontaktgruppe gehören Vertreter der Ukraine, Russlands und der OSZE. Auch die Aufständischen schickten Vertreter zu den Gesprächen in die autoritär regierte Ex-Sowjetrepublik. Die ukrainische Führung hatte zuvor lange Zeit Verhandlungen mit den von Russland unterstützten Separatisten abgelehnt.
Der Westen wirft Russland vor, die moskautreuen Separatisten im Kampf gegen das ukrainische Militär mit Waffen und Soldaten zu unterstützen. Moskau hat dies wiederholt bestritten. Mehrere russische Fernsehkanäle strahlten am Freitag aber fast gleichzeitig Sendungen über russische "Freiwillige" aus, die im Kampf gegen die ukrainische Armee als "Helden" ihr Leben ließen. Die Berichte gelten als Reaktion auf zunehmende Fragen der russischen Öffentlichkeit und auf Enthüllungen regierungskritischer Medien. Diese dokumentieren seit Tagen geheime Beerdigungen von Soldaten.P/zb