Berlin, 28. Jun (Reuters) - Der französische Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau sieht gute Chancen, den Konflikt um die Anleihekäufe der EZB mit dem Bundesverfassungsgericht auszuräumen. "Es gibt jetzt gute Aussichten dafür, dass eine Lösung nahe ist, um auf Karlsruhe zu antworten," sagte er im Interview mit dem "Handelsblatt". In der Sache seien die Entscheidungen der Notenbank "offensichtlich verhältnismäßig" und der Europäische Gerichtshof habe dies bestätigt. Der EZB-Rat hatte in der vergangenen Woche Dokumente für die Bundesregierung und den Bundestag freigegeben, die die Verhältnismäßigkeit der Käufe belegen sollen.
Angesichts der wirtschaftlichen Belastungen durch die Coronakrise hält Villeroy es kurzfristig für normal, dass die europäischen Staaten die Wirtschaft stützen und ihre Staatsverschuldung steigt. "Die Euro-Länder sollten die Schulden aber zu gegebener Zeit reduzieren." Das Vorgehen dabei könne von Land zu Land unterschiedlich sein.
Hinsichtlich der Laufzeit des Anleihekaufprogramms der EZB in der Coronakrise, genannt PEPP, sagte Villeroy: "Wir könnten die Kriterien in Bezug auf die wirtschaftliche Lage präzisieren ("state dependent"), bei deren Erreichen wir das Programm einstellen." Zudem zeigte er sich offen für eine stärkere Entlastung der Banken bei den Minuszinsen durch höhere Freibeträge. Er sei einer der größten Befürworter der Staffelzinsen (Tiering) gewesen und diese ein großer Erfolg. "Wenn wir den Freibetrag in Zukunft optimieren können, warum nicht?"
Eine Debatte über den möglichen Kauf von Ramschanleihen durch die EZB hält Frankreichs Notenbankchef für "wahrscheinlich nicht dringend". Ausgeschlossen sei, dass man Anleihen kauft, die vor der Krise mit dem Ramsch-Status bewertet wurden. Eine Herabstufung bisher gut bewerteter Unternehmen während der Krise könne jedoch einen bereits negativen Trend verstärken. "Wir müssen daher prüfen, ob wir die Abhängigkeit unserer Geldpolitik von den Ratingagenturen geringfügig verringern können, aber auf jeden Fall müssen wir das Risiko der Wertpapiere berücksichtigen."
Auf die Frage, wie lange die EZB die extrem lockere Geldpolitik fortsetzen wolle, sagte Frankreichs Notenbankchef: "Dies hängt von den Inflationsaussichten ab. Hier bin ich sehr nahe an der traditionellen deutschen Position, dass wir ein zentrales Mandat haben, die Preisstabilität. Betrachtet man die Inflation in der Eurozone, so lag sie im Mai bei nur 0,1 Prozent. Für das Gesamtjahr werden durchschnittlich 0,3 Prozent prognostiziert. Dieser Wert liegt weit unter unserem Ziel von "unter, aber nahe zwei Prozent". Wenn wir unser Mandat ernst nehmen, brauchen wir eine sehr flexible Geldpolitik, bis das Ziel klar erreichbar erscheint."