(Wiederholung: Fehlendes Wort "Jahren" im 4. Absatz, letzter Satz ergänzt: "seit mehr als 130 Jahren".)
BERLIN (dpa-AFX) - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Ampel-Partner zur Kooperationsbereitschaft in den schwierigen Verhandlungen über den Haushalt 2025 aufgerufen. Zudem mahnte er die Koalition am Wochenende in Interviews, sich nach den schlechten Ergebnissen bei der Europawahl zusammenzuraufen. "Am Ende wird viel entschieden, aber manchmal kann man dann hinter dem Pulverdampf gar nicht erkennen, was da entschieden ist", sagte der SPD-Politiker im ZDF. Der Haushalt für das nächste Jahr sei "eine Aufgabe, die wir bald lösen müssen, fristgerecht Anfang des nächsten Monats".
Haushaltsverhandlungen als Vertrauensfrage für gerupfte Koalition
Scholz kehrte am Sonntagmorgen von einer viertägigen Reise zu internationalen Gipfeltreffen in Italien und der Schweiz zurück. Die nächsten drei Wochen werden für ihn und seine Koalition zu Schicksalswochen. Durch die schlechten Ergebnisse aller drei Parteien bei der Europawahl ist das Gelingen der Haushaltsverhandlungen zur Bewährungsprobe für die Ampel geworden, zu einer Art Vertrauensfrage für die Bündnispartner. Wenn sie das nicht hinkriegen, sieht es düster aus für den Fortbestand der Koalition.
Am 3. Juli soll der Haushaltsplan stehen. Anschließend gibt es allenfalls noch ein paar Tage Puffer bis zum Nato-Gipfel, der am 9. Juli in Washington beginnt. Wenn der Haushalt davor nicht steht, dann steht auch die Fortsetzung der Koalition infrage, darin sind sich Beobachter ziemlich einig. Denn die Verteilung der Steuergelder zwischen den einzelnen Ressorts gilt als Geschäftsgrundlage für die Zusammenarbeit der Ampel bis zu der für den Herbst 2025 geplanten Bundestagswahl.
Gleich zwei schwierige Treffen nach der Rückkehr von den Gipfeln
Nach der Rückkehr am Sonntag standen gleich zwei wichtige Treffen auf dem Programm des Kanzlers: Ein vertrauliches Treffen mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) und dem Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Aus Koalitionskreisen hieß es vorab, dass danach keine konkreten Angaben zum Stand der Verhandlungen zu erwarten seien. Außerdem wollte Scholz mit dem SPD-Präsidium die schlimmste Schlappe der SPD bei einer nationalen Wahl seit mehr als 130 Jahren aufarbeiten.
Die Haushaltsverhandlungen galten schon vor der Wahl als äußerst schwierig, jetzt hat sich die Lage noch einmal verschärft. Die FDP pocht darauf, dass die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse eingehalten wird und es - nur ein Beispiel - Aufgabe der Regierung sei, mit einer Änderung der Prioritäten auf eine neue Lage zu reagieren, wie beim weiteren Aufbau der Bundeswehr hin zu einer Armee, die Deutschland und die Verbündeten verteidigen kann. Auch andere Ministerien tragen ihre Ausgabenwünsche vehement vor. Eine Befürchtung ist, dass Kürzungen im Sozialetat gesellschaftliche Spannungen verstärken könnten oder auch der AfD Wähler in die Arme treiben.
Debatte über Bürgergeld neu entbrannt
Neu entbrannt war schon vor dem Dreiergespräch die Debatte um schärfere Sanktionen bei Missbrauch des Bürgergelds, angestoßen durch einen Bericht der "Bild"-Zeitung über einen Plan der SPD, das Bürgergeld bei Fällen von gleichzeitiger Schwarzarbeit zu streichen. "Es ist nur gerecht, Schwarzarbeit und Sozialbetrug stärker zu sanktionieren", erklärte dazu Dagmar Schmidt, Vizechefin der SPD-Bundestagsfraktion, auf Anfrage. "Beides sind keine Kavaliersdelikte, das machen wir schon immer klar." Zu Details des Berichts äußerte sie sich allerdings nicht. Grundsätzlich hob Schmidt hervor, das Bürgergeld setze "auf die Vermittlung in dauerhafte Arbeit - dazu stärkt es Qualifikation und Weiterbildung". Das sei auch eine Antwort auf den Fachkräftemangel.
Zustimmung für schärfere Sanktionen kam von FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. "Wer Bürgergeld bezieht und gleichzeitig schwarzarbeitet, der muss hart sanktioniert werden", sagte er dem "Tagesspiegel".
Steilvorlage für die Union
Die Union nutze dies als Steilvorlage, um gleich erneut das ganze ungeliebte Konzept infrage zu stellen. CSU-Generalsekretär Martin Huber forderte die Ampel am Sonntag auf, ganz aus dem Anfang vergangenen Jahres eingeführten Bürgergeld auszusteigen. "Das Bürgergeld braucht keine Reförmchen, es muss gänzlich abgeschafft werden. Stattdessen sollte die bewährte Sozialhilfe wiedereingeführt werden", sagte Huber der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Studien belegten, dass das Bürgergeld die Arbeitsaufnahme verhindere. Auch zum miserablen Abschneiden der Ampel bei den Europawahlen hat das Bürgergeld aus seiner Sicht beigetragen. Huber sagte: "Die Ampel täte nicht nur der Wirtschaft und der arbeitenden Bevölkerung, sondern auch sich selbst mit der Abschaffung einen großen Gefallen.