(neu: Schlusskurse)
FRANKFURT (dpa-AFX Broker) - Die Komplettübernahme des brasilianischen Problem-Stahlwerks CSA durch Thyssenkrupp (XETRA:TKAG) ist am Dienstag an der Börse nicht gut angekommen. Die Anleger nutzten jüngste Kursgewinne im Zuge der Konsolidierungsfantasie in der europäischen Stahlbranche dazu, im deutlich eingetrübten Marktumfeld Kasse zu machen. Bis zu konkreten Abschlüssen zwischen den Stahlkochern sei es noch ein weiter Weg, warnte Warburg-Analyst Björn Voss vor überzogenen Erwartungen. Er gab zudem seine Kaufempfehlung auf.
Zeitweise rutschten die Papiere des deutschen Industrie- und Stahlkonzerns um minus 5,88 Prozent ab. Den Tag beendeten sie mit einem Verlust von 4,65 Prozent auf 18,16 Euro und gehörten damit zu den schlechtesten Werten im sehr schwachen Dax (DAX). Sie sackten damit auch unter ihre jüngst übersprungene 200-Tage-Linie, die bei Börsianern als Gradmesser für den längerfristigen Trend gilt.
Auf Jahressicht kann sich die Kursentwicklung aber immer noch sehen lassen: Mit einem Minus von nur rund 1 Prozent gehört die Aktie immer noch zu den besten Werten im deutschen Leitindex, der im gleichen Zeitraum um über 10 Prozent abgerutscht ist. In den vergangenen vier Wochen waren Thyssen-Anteile sogar stark gefragt gewesen.
THYSSENKRUPP KANN CSA NUN LEICHTER VERKAUFEN
Die Übernahme des knapp 27-prozentigen Anteil des Rohstoffkonzerns Vale am CSA-Stahlwerk durch Thyssenkruppp war für Analysten nach vorangegangenen Medienberichten keine Überraschung mehr. Sie hatten sich schon zuvor positiv zu diesen Plänen geäußert und argumentiert, das Werk lasse sich leichter verkaufen, sobald die Essener dort allein das Sagen hätten.
Dank eines nur symbolischen Kaufpreises muss Thyssenkrupp keine neuen Schulden aufnehmen. Lediglich wenn der Ruhrkonzern das einst für rund 12 Milliarden Euro gebaute Werk künftig über dem aktuellen Buchwert von rund 2,2 Milliarden Euro verkauft, würde Vale noch einen Nachschlag erhalten. Der Transaktion müssen noch der Aufsichtsrat von Thyssenkrupp und Aufsichtsbehörden zustimmen.
Der Schritt sei hilfreich für einen künftigen Verkauf des kompletten Stahlgeschäfts jenseits des Atlantik (Steel America), schrieb Commerzbank-Analyst Ingo-Martin Schachel. Sein Kollege Alessandro Abate von der Privatbank Berenberg hält eine Zusammenlegung von CSA mit entsprechenden Aktivitäten des argentinischen Mischkonzerns Techint für möglich.
EUROPÄISCHE STAHLKONSOLIDIERUNG IN WEITER FERNE
Warburg-Experte Voss dämpfte indes die jüngste Euphorie über eine mögliche Marktbereinigung in der gebeutelten europäischen Stahlbranche. Insbesondere die erhoffte Zusammenlegung von Thyssenkrupps europäischem Stahlgeschäft mit den niederländischen Aktivitäten des indischen Stahlkonzerns Tata Steel bereitet Voss Kopfzerbrechen. Die Essener hätten wiederholt ihre Präferenz für Gemeinschaftsunternehmen statt Übernahmen ausgesprochen. Zudem seien sie bei jedem Schritt auf die Zustimmung der mächtigen deutschen Gewerkschaften angewiesen. Der damit verbundene Verzicht auf Standortschließungen und Stellenabbau lasse das Synergiepotenzial zusammenschrumpfen.
Außerdem dürfte Thyssenkrupp kaum am britischen Langstahlgeschäft interessiert sein, das Tata verkaufen wolle, so Voss weiter. Bisher haben sich beide Unternehmen nicht zu den Gerüchten über ein Zusammengehen ihrer europäischen Aktivitäten geäußert. Allerdings betont Thyssenkrupp selbst seit zwei Jahren, sich aktiv an einer möglichen Konsolidierung der Stahlbranche in Europa beteiligen zu wollen.