FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Aktien aus der europäischen Automobilbranche holen am Freitag Schwung auf ihrer Erholung. Schon an den beiden Vortagen gab es eine Stabilisierung, die sich nun verstärkte mit klaren Gewinnen. Wie es in einem Medienbericht heißt, drängt der Herstellerverband Acea auf eine Lockerung der CO2-Emissionsziele, die eigentlich 2025 in der Europäischen Union (EU) greifen sollen. Außerdem gab es optimistische Äußerungen eines Analysten zum China-Geschäft.
Der europäische Sektorindex zog in einem weiterhin robusten Marktumfeld am Vormittag um 1,3 Prozent an, womit er in der Sektorwertung die Spitze einnahm. Die Aktien der deutschen Hersteller gaben die Richtung vor, BMW (ETR:BMWG) , Mercedes-Benz (ETR:MBGn) und Volkswagen (ETR:VOWG) stiegen zwischen 1,5 und 2,5 Prozent. Für die Titel der Porsche AG (ETR:P911_p) ging es sektorkonform um 1,3 Prozent hoch.
Zuletzt waren schon Stimmen lauter geworden, dass die CO2-Emissionsziele eine Bedrohung für die Branche sind. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg hat Acea daher einen informellen Entwurf für einen Vorschlag an die Europäische Union ausgearbeitet, in dem die Anwendung einer Notfallverordnung befürwortet wird - mit dem Ziel, die Emissionsziele um zwei Jahre zu verschieben.
Laut einem Händler überrascht die Position des Verbands nicht aufgrund der jüngsten Botschaften aus seinem Umfeld. Leicht positiv könne es aber dennoch wirken, dass "die Dinge jetzt vorankommen". In den kommenden Wochen wäre dann mit mehr Transparenz zu rechnen, so der Börsianer. Wie die EU sich dazu verhalte, bleibe abzuwarten. Der Kontext habe sich in der Branche jedenfalls deutlich verändert seit der ursprünglichen Ankündigung der Ziele. Elektromobilität werde weniger gefördert und das Umfeld sei konjunkturell und politisch schwieriger geworden.
Renault (EPA:RENA)-Chef Luca de Meo, der zugleich auch Präsident des europäischen Autoherstellerverbands Acea ist, hatte am Wochenende in einem Interview bereits davor gewarnt, dass die Branche im Jahr 2025 vor 15 Milliarden Euro großen Strafen stünde. JPMorgan-Experte Jose Asumendi sagte am Freitag in einem Kommentar zu Renault, dass es der Branche guttäte, wenn sie bei der Umstellung auf Elektromobilität "zwei weitere sehr wichtige Jahre" an Zeit bekäme. Die Kostenbasis könne gesenkt und die Marge auf ein Niveau mit jener für Verbrennungsmotoren gebracht werden.
Am Dienstag hatte auch eine Gewinnwarnung von BMW wegen Lieferkettenproblemen dem Sektor einen schweren Schlag versetzt. Analyst Patrick Hummel von der UBS (SIX:UBSG) stellte sich daraufhin am Freitag die Frage, ob Anleger nach der Gewinnwarnung nun zu pessimistisch für das Geschäft deutscher Autobauer in China geworden sind. Der Experte ist vor allem für das Premiumsegment recht optimistisch, insbesondere wegen höherer Preisdisziplin und stärkerer Innovationskraft.
Seit ihrem Kursrutsch am Dienstag versuchen die Branchenwerte, sich zu stabilisieren. Das Jahr 2024 ist für den Sektor insgesamt ein ziemliches düsteres, denn der Branchenindex Stoxx Europe 600 Automobiles & Parts hat bislang etwa zehn Prozent eingebüßt wegen der vielen Problemfelder, die von Kosten über Konjunktur bis hin zur Regulierung und dem China-Markt reichen. Noch etwas mehr hat im Jahresverlauf nur der Sektorindex der Minenwerte verloren.
Sinnbild für die weitreichenden Probleme ist auch Volkswagen mit einem tiefgehenden Sparzwang, den die Wolfsburger für unausweichlich halten. Konzernchef Oliver Blume hatte die wirtschaftliche Situation zuletzt als alarmierend bezeichnet. Die VW-Aktien waren daher am Dienstag auf einem Tief seit 2020 angekommen.