Investing.com - Aufgepasst an der Wall Street! Die Bären erwachen aus ihrem Dornröschenschlaf und bringen eine Warnung mit, die den Puls der Marktteilnehmer zum Rasen bringt. Der einflussreiche Analyst Michael Wilson von der US-Bank Morgan Stanley (NYSE:MS), der für seine äußerst pessimistische Haltung gegenüber Aktien bekannt ist, hat den Finger auf eine brisante Thematik gelegt, die das Potenzial hat, die Aktienmärkte in turbulente Gewässer zu führen. Es geht um die Debatte über die Schuldenobergrenze, ein Thema, das nicht nur Politiker und Wirtschaftsexperten, sondern auch Investoren in aller Welt in Atem hält.
Die meisten der Morgan Stanley-Kunden "gehen zwar davon aus, dass das Thema letztendlich gelöst wird, aber nicht ohne kurzfristige Volatilität", so Wilson, der außerdem anmerkte, dass viele das Ereignis als "'Lose-Lose'-Event für die Märkte" sehen.
Der Experte wies darauf hin, dass selbst eine Anhebung der Schuldenobergrenze am so genannten "Tag X" - dem Tag, an dem den USA das Geld ausgeht - die Liquidität beeinträchtigen und den S&P 500 nach unten drücken könnte.
Zur Erinnerung: Die Verhandlungen zwischen US-Präsident Joe Biden und den Republikanern sowie dem Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, über die Schuldenobergrenze stecken seit Monaten in einer Sackgasse. Nach dem in der letzten Woche ergebnislosen Gespräch wollen sich die beiden am Dienstag erneut treffen, um das Thema zu besprechen.
Ein Zahlungsausfall der USA könnte zu einem Einbruch der Märkte, höheren Kreditkosten und einem Schock für die Weltwirtschaft führen, der nach Ansicht vieler Ökonomen mit dem Crash von 2008 konkurrieren könnte.
Was die zu beobachtenden Sektoren angeht, ergab die von Morgan Stanley durchgeführte Verlaufsanalyse, dass Titel aus den Sektoren Energie (NYSE:XLE) und Versorger (NYSE:XLU) bei früheren Auseinandersetzungen über die Schuldenobergrenze am besten performten, während sich die Bereiche Technologie (NYSE:XLK), Gesundheit (NYSE:XLV), Basiskonsumgüter (NYSE:XLP) und Dividendenwachstum (NASDAQ:DGRW) nach der Lösung des Problems gut entwickelten.
Wilson merkte auch an, dass die Auswirkungen der festgefahrenen Verhandlungen über die Schuldenobergrenze auf die Wall Street bisher minimal waren, wohl weil die Unternehmensgewinne im ersten Quartal deutlich stabiler ausfielen als erwartet.
Er erklärte jedoch, dass er seinerseits hinsichtlich seiner Gewinnprognosen für das Gesamtjahr vor dem Hintergrund eines sich verlangsamenden Wirtschaftswachstums pessimistisch bleibe.
"Der Markt spricht laut unter der Oberfläche - er bereitet sich auf weitere Enttäuschungen auf makroökonomischer Ebene und bei den Unternehmensgewinnen vor", behauptete der Stratege. "Deshalb zögern die Anleger, in Sektoren wie Regionalbanken und zyklische Werte geringerer Qualität zu investieren, trotz ihrer jüngsten Underperformance", resümierte er.
Bislang ist das S&P 500-EPS im Jahresvergleich lediglich um 3 % gesunken. Das ist deutlich besser als der von der Börse erwartete Rückgang um 7 %.
Goldman Sachs (NYSE:GS) meinte am Montag in einer separaten Notiz, dass "die schlimmste Phase negativer Gewinnrevisionen nun hinter uns liegt". Gleichwohl sehen die Experten "die Risiken für die Gewinnaussichten angesichts der Unsicherheit aufgrund der Spannungen im Bankensektor eher nach unten gerichtet". Sie rechnen außerdem damit, dass die Realrenditen weiter klettern und das KGV von 18 auf 17 sinken wird.
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