Düsseldorf/London (Reuters) - Der Energiekonzern Innogy versucht für seine schwächelnde Vertriebstochter in Großbritannien den Befreiungsschlag: Innogy und der zweitgrößte britische Energiekonzern SSE seien in fortgeschrittenen Gesprächen über eine Zusammenführung ihrer Vertriebsaktivitäten auf der Insel, teilten die Unternehmen am Dienstag mit.
Die Geschäftsaktivitäten könnten in einer börsennotierten Gesellschaft zusammengeführt werden. Die Innogy-Tochter Npower kämpft seit Jahren in Großbritannien mit Kundenschwund, Abrechnungsproblemen und Verlusten.
Vorstandschef Peter Terium hat Npower auf den Prüfstand gestellt. Innogy spiele strategische Optionen für die Tochter durch, hatte Reuters am Montag von Insidern erfahren. Möglich sei ein Verkauf oder eine Partnerschaft[nL5N1NC482]. Bindende Verträge mit SSE gebe es noch nicht, erklärte Innogy nun. Auch die Wettbewerbsbehörden müssten noch zustimmen. An der Börse kam die Nachricht gut an. Die Innogy-Aktie legte zeitweise um 1,8 Prozent auf 41,55 Euro zu und war damit einer der stärksten Werte im MDax. SSE-Papiere kletterten um 2,6 Prozent.
SSE hat 7,7 Millionen Kunden in Großbritannien, Npower kommt auf etwa 4,7 Millionen. Für die RWE-Tochter ist das Geschäft ein Klotz am Bein. Im ersten Halbjahr 2017 fuhr Innogy im Strom- und Gasvertrieb in Großbritannien einen Verlust (bereinigtes Ebit) von zwölf Millionen Euro ein. Terium hatte zuletzt offen gelassen, wann das Geschäft zurück in die Gewinnzone kehren wird. Vor zwei Jahren war bei Npower bereits das Management ausgetauscht worden.
DIE "GROSSEN SECHS" STEHEN VOR KONSOLIDIERUNG
Auch die britische Energiepolitik mache für Innogy den Markt immer unattraktiver, hatte ein Insider Reuters gesagt. Premierministerin Theresa May hatte Anfang Oktober angekündigt, einen Preisdeckel einzuführen. Der Markt ist hart umkämpft. Neben Innogy und SSE ist auch E.ON (DE:EONGn) im Strom- und Gasvertrieb vertreten. Zu den Wettbewerbern zählen die Centrica-Tochter British Gas, Iberdrolas Scottish Power und der französische Versorger EDF (PA:EDF). Zusammen bilden sie die "Großen Sechs", die 85 Prozent des Marktes abdecken. Neue Wettbewerber jagen ihnen zudem die Kunden ab. Der britische Markt sei reif für eine Konsolidierung, sagten Branchenexperten. Womöglich gebe es dort künftig nur noch drei große Versorger.
Innogy-Chef Terium hatte noch als Boss von RWE (DE:RWEG) 2015 die Führung bei NPower ausgetauscht. "Was dort passiert ist, war ein Desaster", hatte er beklagt. Damals waren Npower 350.000 Kunden davon gelaufen. Mit einem Nettoverlust von 137 Millionen Euro hatte Npower wesentlich zum Verlust des RWE-Konzerns von 170 Millionen Euro beigetragen. Im September kündigte Terium nun eine neue Strategie an: Innogy will bis 2025 in allen relevanten Märkten zu den drei führenden Anbietern und den ertragsstärksten Unternehmen der Branche gehören. "Um dieses Ziel zu erreichen, wird es keine Tabus mit Blick auf die aktuellen Geschäftsaktivitäten (Portfolio) geben."