FRANKFURT/LONDON/NEW YORK (dpa-AFX) - Die Finanzmärkte haben 2021 der Corona-Pandemie getrotzt. Weder steigende Infektionszahlen im Zuge der rasanten Verbreitung der Omikron-Variante des Coronavirus noch die hohe Inflation oder die Lieferkettenengpässe angesichts der wirtschaftlichen Erholung konnten die Stimmung trüben. 2022 bleibt allerdings abzuwarten, ob Omikron tatsächlich weniger gefährlich ist als zunächst angenommen. Zudem dürfte das Auseinanderdriften der Geldpolitik in der Eurozone und in den USA im Fokus stehen. Während die US-Notenbank (Fed) den Ausstieg aus ihrer ultralockeren Geldpolitik beschleunigt und für 2022 mit insgesamt drei Zinsschritten rechnet, wird in der Eurozone trotz zuletzt hoher Inflationsraten noch keine Leitzinserhöhung erwartet.
AKTIEN EUROPA: Sollten die Anleger den Eindruck gewinnen, dass insbesondere die tonangebende Fed im Kampf gegen die Inflation die Zinsen früher und stärker als gedacht anheben wird, dürften Aktien im Vergleich zu festverzinslichen Anleihen an Attraktivität einbüßen. Diesseits des Atlantiks könnte ansonsten im Jahresverlauf eine besser laufende Wirtschaft Rückenwind verleihen. "Nach winterlich-viraler Schwäche dürfte die ab Frühjahr einsetzende weltweite Konjunkturerholung die typisch zyklisch dominierten Aktien in Europa begünstigen und ihnen Nachholpotenzial verleihen", erwartet Marktstratege Robert Halver von der Baader Bank.
AKTIEN USA UND ASIEN: Nach drei beeindruckenden Jahren könnte der geldpolitische Straffungskurs der Fed die Rally des US-Aktienmarktes 2022 ins Stocken bringen. Für Unruhe sorgen dürften aber auch die nicht beendete Corona-Pandemie sowie politische Ereignisse wie die US-Senatswahlen im Herbst. Die asiatischen Aktienmärkte wiederum sollte insbesondere die Hoffnung auf eine fortgesetzte globale Konjunkturerholung stützen. Sowohl die Wirtschaftsleistung als auch die Gewinne der Unternehmen lägen deutlich über den Vor-Pandemie-Niveaus, sagte Mike Kerley, Portfoliomanager bei Janus Henderson Investors. Und obwohl sich das Wachstum gegenüber den hohen Werten von 2021 abschwächen werde, sei es doch immer noch stabil und vorhersehbarer als in anderen Regionen.
STAATSANLEIHEN: Die Geldpolitik der Notenbanken dürfte 2022 auch die Entwicklung der Anleihenrenditen und damit der Kurse maßgeblich beeinflussen. "Die Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) gehen 2022 getrennte Wege", resümierte Analyst Christian Reicherter von der DZ Bank. Während die US-Notenbank die Zinszügel erstmals seit Jahren straffen und so die Anleihenrenditen antreiben dürfte, sei dies für die EZB kein Thema. Sie dürfte ihren geldpolitischen Kurs nur mit äußerster Vorsicht anpassen. Den US-Währungshütern wiederum sollte es ein wieder nachlassender Preisdruck ermöglichen, die Leitzinsschraube eher behutsam anzuziehen.
UNTERNEHMENSANLEIHEN: Wer etwas mehr Risiken eingehen möchte, dürfte wohl auch 2022 bei Unternehmensanleihen fündig werden. "Die Ausfallraten - eine Hauptsorge von Anleiheninvestoren - sind sowohl auf den europäischen als auch auf den US-Märkten außergewöhnlich niedrig, da sich das globale Wachstumsumfeld verbessert", bemerkte Jeff Boswell, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter Ninety One. Diese günstigen fundamentalen Aussichten rechtfertigten wohl angespannte Bewertungen. Umso wichtiger werde eine gezielte Auswahl fundamental noch attraktiver Anleihen.
IMMOBILIENFONDS: Trotz der strafferen Geldpolitik der Fed dürften die Zinsen insgesamt weiterhin sehr niedrig bleiben. In diesem Umfeld würden auch offene Immobilienfonds für Privatanleger interessant bleiben, kommentierte Analyst Stefan Mitropoulos von der Landesbank Helaba. Die Renditen dürften sich weiter erholen, aber das Niveau vor der Krise noch nicht erreichen. Dies sei vor allem auf die sektorale Struktur der Portfolios zurückzuführen. Denn Logistik und Wohnen, die sich weiter überdurchschnittlich entwickelten, spielen dem Experten zufolge mit einem Anteil von fünf beziehungsweise drei Prozent an den Mieterträgen nur eine geringe Rolle. Dagegen seien die voraussichtlich weniger dynamischen Büros mit rund 55 Prozent die wichtigste Nutzungsart in den Fonds, Einzelhandelsimmobilien folgten mit fast 24 Prozent an zweiter Stelle.
ROHSTOFFE: Die andauernde Corona-Krise und die steigende Inflation stärken bei Verbrauchern die Nachfrage nach Gold. Das Edelmetall gilt seit jeher als krisensichere Anlage. Der Bankenverband warnte allerdings, trotz seines Rufs als sicherer Hafen könne man nicht von einer stabilen Preisentwicklung ausgehen. Wichtige Einflussfaktoren seien der Euro-Dollar-Wechselkurs, der Ölpreis und das politische Umfeld. Die Commerzbank (DE:CBKG) sieht für 2022 bei Rohstoffen insgesamt Aufwärtspotenzial. Silber etwa sollte von einer robusten Industrienachfrage profitieren, die insbesondere von "grünen" Themen wie Photovoltaik und Elektroautos getrieben werde. Platin sollte trotz einer stark steigenden Nachfrage aus der Automobilindustrie nur im Einklang mit Gold zulegen; eine bessere Preisentwicklung dürfte durch einen sich abzeichnenden Angebotsüberschuss verhindert werden.
DEVISEN: Laut Andreas Rees, Chefvolkswirt Deutschland bei der Bank Unicredit (MI:CRDI), bleiben Zinsdifferenzen wohl der Haupteinflussfaktor auf der Währungsseite. Unter den G10-Währungen bevorzugt der Experte den Dollar, das britische Pfund, die norwegische Krone und die Rohstoffwährungen gegenüber dem Euro, dem japanischen Yen, dem Schweizer Franken und der schwedischen Krone. Neue Covid-19-Entwicklungen könnten die Kursschwankungen erhöhen, aber wohl kaum verhindern, dass der Euro auf 1,10 US-Dollar und darunter fällt.