FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 15. April. Zahlreiche Privatanleger haben genug und nehmen Gewinne mit, während die Profis eher mit einer Fortsetzung der Rekorde rechnen. Die wahren Preistreiber kommen allerdings aus dem Ausland.
Es sind vor allen Dingen ausländische Investoren, die nach wie vor Gefallen an europäischen Aktien finden. Auch wenn die jüngste BofA Merrill Lynch Umfrage unter Fondsmanagern die Befürchtung einer Überbewertung von Aktien ausgemacht haben will - es handelt sich immerhin um den höchsten Wert seit dem Jahr 2000 -, so gilt dies vornehmlich für US-Titel. Europäische Aktien werden indes immer noch für unterbewertet gehalten, weshalb Manish Kabra, Stratege für europäische Aktien in demselben Haus, unlängst sogar von einem "rationalen Überschwang" sprach, was man durchaus als implizite Kaufempfehlung werten könnte. Denn dieses Mal ist nicht wie sonst von einer irrationalen Übertreibung die Rede.
Aber selbst wenn das positive Bild vom Aktienmarkt durch Fundamentaldaten gestützt sein mag, können sich die mittelfristig orientierten Investoren hierzulande immer noch nicht zu einer positiveren Sichtweise des DAX durchringen. Denn auch bei unserer heutigen Befragung konnte der Börse Frankfurt Sentiment-Index gegenüber der Vorwoche von +2 Punkten nur ein wenig zulegen und weist nun einen Stand von gerade einmal +6 Punkten aus.
Dieser Zuwachs geht im Wesentlichen nicht auf einen markant gestiegenen Optimismus, sondern auf einen leicht gesunkenen Pessimismus zurück. Möglicherweise ergibt sich dieser leichte Umschwung aus der sich mehr und mehr durchsetzenden Erkenntnis, dass die Zinswende in den USA wohl noch auf sich warten lässt, so dass nunmehr viele Akteure frühestens für das dritte Quartal mit einer ersten Leitzinserhöhung der Notenbank rechnen.
Somit scheint die Hauptantriebskraft für den Aufwärtstrend des DAX nach wie vor nicht aus dem Inland zu kommen. Dafür spricht auch die Tatsache, dass global ausgerichtete Aktienfonds und ETFs in den USA seit Januar Zuflüsse von 81,5 Milliarden US-Dollar verzeichnen konnten und demzufolge, so jedenfalls die Einschätzung des Investment Research Unternehmens TrimTabs, auf dem besten Weg seien, den vor neun Jahren aufgestellten Vier-Monatsrekord zu schlagen. Und ein Teil genau dieses Kapitals scheint nach wie vor den Weg nach Europa und Japan einzuschlagen.
Privatanleger wechseln die Seite
Für private Anleger scheint der Kursgewinn des DAX von 1,4 Prozent im Wochenvergleich, in Kombination mit einem weitaus höheren neuen Allzeithoch während des Berichtszeitraums, Grund genug gewesen zu sein, zumindest teilweise die seit gut einem Monat aufgelaufenen Gewinne mitzunehmen. Der deutliche Rückgang beim Optimismus, verbunden mit einem noch deutlicheren Anstieg des Pessimismus, deutet darauf hin, dass zumindest eine Gruppe von 10 Prozent der Befragten sogar auf eine Abwärtskorrektur des DAX setzt. Deswegen hat auch der Börse Frankfurt Sentiment-Index einen deutlichen Rückschlag von zuletzt +13 auf einen Wert von -5 Punkten hinnehmen müssen.
Auch wenn sich bei der heutigen Sentimenterhebung eine deutliche Divergenz zwischen institutionellen und privaten Anlegern gezeigt hat, muss der leichte Optimismus der Erstgenannten nicht als Belastung für den DAX gelten. Im Gegenteil: Das Börsenbarometer scheint auch weiterhin vom Zufluss ausländischen Kapitals zu profitieren, das zudem einer möglichen Euro-Schwäche durch gleichzeitige Währungsabsicherungen ihrer Aktienengagements aus dem Weg zu gehen scheint. Für die inländischen Investoren bedeutet die derzeitige Gemengelage, dass im Falle einer Abwärtskorrektur der DAX schon bald, wahrscheinlich bereits nach einem Rücksetzer von 3 bis 4 Prozent von der Nachfrage dieser Anleger profitieren dürfte. Sollten die Kurse hingegen weiter nach oben marschieren, würden deutsche Aktien durch Kapitulationskäufe heimischer Nachfrager zusätzlich an Wert gewinnen.
von Joachim Goldberg, Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
© 15. April 2015
[1] Der Börse Frankfurt Sentiment-Index bewegt sich zwischen -100 (totaler Pessimismus) und +100 (totaler Optimismus), der Übergang von positiven in negative Werte markiert die neutrale Linie. Die Werte des früheren Cognitrend Bull/Bear-Index sind auf die neue Skalierung umgerechnet worden.
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