Frankfurt (Reuters) - Aus Furcht vor den wirtschaftlichen Folgen eines EU-Austritts Großbritanniens sind am Montag weitere Anleger aus den Aktienmärkten geflohen.
Sie nahmen stattdessen Kurs auf "sichere Häfen" wie Gold oder Bundesanleihen. "Der Optimismus aus dem Frühjahr ist wie weggeblasen, den Börsen steht ein stürmischer Sommer bevor", warnte Jochen Stanzl, Analyst des Online-Brokers CMC Markets.
Neuen Umfragen zufolge liefern sich EU-Gegner und -Befürworter knapp zwei Wochen vor der Abstimmung in Großbritannien weiter ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Der Dax verlor 1,8 Prozent auf 9657,44 Punkte, der EuroStoxx50 fiel um zwei Prozent auf 2853,52 Zähler. An der Wall Street büßten Dow Jones, Nasdaq und S&P 500 bis zu 0,5 Prozent ein. Börsenprofi Markus Huber vom Brokerhaus City of London bezeichnete die Kursverluste der vergangenen Tage zwar als überzogen, warnte aber dennoch vor weiteren Rückschlägen. "Denn Unsicherheit ist eine der am wenigsten geschätzten Faktoren am Aktienmarkt."
GOLD UND ANLEIHEN GEFRAGT - PFUND STERLING UNTER DRUCK
Die Nervosität der Investoren trieb den Goldpreis zeitweise auf ein Vier-Wochen-Hoch von 1287 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Für Briten war das Edelmetall mit 909,83 Pfund sogar so teuer wie zuletzt vor rund drei Jahren. Der Hauptgrund hierfür war dem Analysten Daniel Smith vom Research-Haus Oxford Economics zufolge die Abwertung der britischen Währung.
Das Pfund Sterling fiel um rund eineinhalb US-Cent und war mit 1,4116 Dollar zeitweise so billig wie zuletzt vor rund zwei Monaten. Gleichzeitig stiegen die Kosten zur Absicherung gegen Kursturbulenzen der Währung auf ein Rekordhoch. Am Anleihemarkt blieben die als sicher geltenden zehnjährigen deutschen Titel gefragt. Ihre Rendite lag zeitweise mit 0,011 Prozent gerade einmal einen Zehntel Basispunkt über ihrem Rekordtief vom Freitag. Bei den britischen Pendants griffen Investoren ebenfalls zu. Mit 1,200 Prozent rentierten diese Papiere so niedrig wie nie zuvor.
MICROSOFT ÜBERNIMMT LINKEDIN - FINANZWERTE UNTER DRUCK
Für Furore sorgte die milliardenschwere Offerte von Microsoft (NASDAQ:MSFT) für LinkedIn (NYSE:LNKD). Das Software-Haus will das Karriere-Netzwerk für 196 Dollar je Aktie oder insgesamt 26,2 Milliarden Dollar kaufen. LinkedIn-Titel stiegen daraufhin um knapp die Hälfte auf 194,35 Dollar. In deren Windschatten verteuerten sich die Papiere des deutschen Konkurrenten Xing um bis zu 14 Prozent. Microsoft gaben dagegen 2,5 Prozent nach.
Investoren trennten sich auch von europäischen Finanzwerten. "Banken sind diejenigen, die am stärksten von einem Brexit betroffen wären", sagte Analyst Zeg Choudhry vom Investmenthaus Lontrad. "Wer in den nächsten zwei Wochen nicht defensiv investiert, muss ziemlich verrückt sein." Sechs der zehn größten Verlierer im EuroStoxx50 kamen aus dem Finanzsektor. Schlusslicht war die italienische Intesa Sanpaolo (MI:ISP) mit einem Minus von 5,9 Prozent. Deutsche Bank (DE:DBKGn) und Commerzbank (DE:CBKG) verloren jeweils 3,5 Prozent. In Zürich markierten Credit Suisse (SIX:CSGN) mit 11,61 Franken sogar ein Rekordtief.
ORLANDO-MASSAKER LASTET AUF SICHERHEITSFIRMA G4S
Daneben rückte G4S ins Rampenlicht, da der Todesschütze des Massakers von Orlando, bei dem 50 Menschen getötet wurden, ein Angestellter der weltgrößten Sicherheitsfirma war. Eine Überprüfung des 29-jährigen mutmaßlichen Einzeltäters im Jahr 2013 habe keine Auffälligkeiten zutage gefördert, betonte G4S. Die Aktien des britischen Unternehmens fielen um fünf Prozent. Die Titel der Waffen-Hersteller Smith & Wesson und Sturm Ruger gewannen dagegen jeweils rund zehn Prozent. Der Waffenabsatz in den USA zieht nach Anschlägen üblicherweise an.