Frankfurt (Reuters) - Am Schicksalstag für die Briten haben die Anleger an Europas Börsen auf einen Verbleib des Vereinigten Königreiches in der Staatengemeinschaft gesetzt.
Der Dax stieg um 1,9 Prozent auf 10.257,03 Punkte, der EuroStoxx50 legte zwei Prozent zu. Der Londoner Auswahlindex "Footsie" gewann gut ein Prozent. Das Pfund Sterling notierte zeitweise erstmals seit Dezember 2015 wieder über 1,49 Dollar. Die Unsicherheit über das tatsächliche Ergebnis bremste allerdings Aktien- und Devisenkäufe.
"Der Markt preist jetzt ganz klar mit wachsender Gewissheit ein 'Remain'-Votum ein", sagte Währungsstratege Adam Cole von RBC Capital Markets. "Der Dax wählt den Bremain", überschrieb CMC-Markets-Analyst Jochen Stanzl seinen Abendkommentar.
Buchmacher taxieren die Chance auf einen Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU auf 86 Prozent. Deutlich über 50 Prozent der Briten befürworten den Verbleib in der EU, wie aus am Donnerstag veröffentlichten Umfragen hervorgeht. Diese waren allerdings vor Öffnung der Wahllokale geführt worden, die erst am Abend um 23.00 Uhr MESZ schließen. Erste Ergebnisse werden daher erst in der Nacht zum Freitag und das offizielle Ergebnis erst ab 08.00 Uhr morgens erwartet. Daher blieben viele Anleger auch sehr vorsichtig.
EUROPAS AKTIENHÄNDLER LEGEN EINE NACHTSCHICHT EIN
Die asiatischen Börsen werden die ersten sein, die reagieren können. Doch auch in Frankfurt, London und Paris sind viele Handelssäle schon früher besetzt, die weltgrößten Banken sind auf eine Nachtschicht eingestellt. Sollten die Briten für den Austritt aus der EU stimmen, dann rechnen viele Anleger mit einem Börsenbeben am Freitag. Anderenfalls könnte es eine Erleichterungsrally geben, vorausgesetzt die Mehrheit fällt hoch aus.
Da die Kurse in den letzten Tagen in Erwartung eines EU-freundlichen Ergebnisses schon zugelegt hatten, seien Gewinnmitnahmen nicht auszuschließen, sagte ein Händler. Nach der Ermordung der Brexit-Gegnerin Jo Cox hatten mehr Anleger auf einen Stimmungsumschwung zugunsten der EU-Anhänger gesetzt.
Das Pfund Sterling hat binnen einer Woche nun schon in der Spitze um rund neun US-Cent aufgewertet. Im Falle eines Siegs der Brexit-Anhänger sagen Analysten einen starken Einbruch voraus. Aus Furcht vor Kursturbulenzen rund um das Brexit-Referendum nimmt die britische Großbank Barclay Insidern zufolge bestimmte Aufträge für Devisengeschäfte nicht mehr an.
NOTENBANKEN VON NEW YORK BIS FRANKFURT IM STAND-BY
Wie seit Tagen überschattete die Abstimmung fast alles am Aktienmarkt. Eine Kaufempfehlung verhalf den Aktien von Thyssenkrupp (DE:TKAG) zu einem Plus von fünf Prozent und damit an die Dax-Spitze. Spekulationen auf eine neue russische Kali-Allianz schoben im MDax die Aktien von K+S um 5,9 Prozent an. In Kopenhagen legten die Aktien von A.P. Moller-Maersk fast zwölf Prozent zu. Die Anleger hofften auf einen neuen Chef.
An der Wall Street notierten der Dow-Jones- und der S&P500-Index zum europäischen Handelsschluss je etwa ein Prozent höher. Auch in New York gilt das Hauptaugenmerk der Abstimmung in Großbritannien. Die Fed steht wie die EZB und andere Notenbanken für den Fall eines Brexit Gewehr bei Fuß.