Paris/Berlin (Reuters) - Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu aufgefordert, im Nahost-Konflikt den Palästinensern entgegenzukommen.
Bei einem Treffen in Paris sagte Macron am Sonntag, er habe seinen Gast gebeten, mit "mutigen Gesten" auf die Palästinenser zuzugehen, um "aus der gegenwärtigen Sackgasse herauszukommen". Macron plädierte für die Zwei-Staaten-Lösung und sagte, er lehne die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump ab, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Der Frieden sei dadurch bedroht. Netanjahu entgegnete, je früher die Palästinenser sich mit der Realität abfänden, dass Jerusalem die Hauptstadt Israels sei, desto eher sei Frieden möglich. Am Montag wird Netanjahu zu einem Treffen mit EU-Außenministern in Brüssel erwartet.
Trump hatte Mitte der Woche die Verlegung der US-Botschaft in Israel nach Jerusalem angekündigt. Das sorgte für scharfe Kritik, darunter auch aus Europa. Die Gewalt in Nahost flammte wieder auf. Aus dem Gazastreifen feuerten Extremisten Raketen auf Israel. Die israelische Luftwaffe reagierte mit Angriffen, bei denen am Samstag zwei Palästinenser getötet wurden. Am Sonntag stach ein 24-jähriger Palästinenser nach Polizeiangaben am Eingang zu Jerusalems Zentralen Busbahnhof auf einen israelischen Sicherheitsmann ein. Der Wachposten befand sich in kritischem Zustand. Der mutmaßliche Angreifer wurde festgenommen.
Israel hatte Ost-Jerusalem 1967 erobert und später annektiert. Dies wird von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt. Die Palästinenser beanspruchen Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines künftigen Staates.
BRENNENDE ISRAELISCHE FAHNEN
Die seit Mittwoch anhaltenden Straßenproteste in den Palästinensergebieten ließen am Wochenende zwar nach. Doch anderenorts kam es erneut zu Demonstrationen gegen Trumps Entscheidung und gegen Israel, darunter im Libanon, in Marokko und in Indonesien mit teils Tausenden Teilnehmern.
Auch in Berlin hatten am Freitag mehrere Hundert Menschen am Brandenburger Tor und vor der daneben gelegenen US-Botschaft demonstriert. Dabei wurden nach Polizeiangaben israelische Fahnen verbrannt. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel sagte zu "Bild" (Montagausgabe), bei aller verständlicher Kritik an Trumps Entscheidung gebe es "keinerlei Recht und auch keine Rechtfertigung, israelische Fahnen zu verbrennen, zu Hass gegen Juden aufzuwiegeln oder das Existenzrecht Israels infrage zu stellen". Wer dies dennoch tue, "stellt sich nicht nur gegen Israel, sondern gegen die verfassungsmäßige Ordnung unseres Landes". Bundesjustizminister Heiko Maas sagte der Zeitung, jede Form von Antisemitismus sei "ein Angriff auf uns alle".
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warf Israel dagegen in einer öffentlichen Rede vor, ein "Terrorstaat" zu sein. Netanjahu wertete dies als Angriff auf Israel. "Ich bin es nicht gewohnt, Vorträge über Moral von einem Anführer zu bekommen, der in seiner Heimat Türkei kurdische Dörfer bombardiert, Journalisten einsperrt, dem Iran beim Umgehen internationaler Sanktionen hilft, und der Terroristen, einschließlich im Gazastreifen, dabei hilft, unschuldige Leute zu töten", sagte Netanjahu auf der Pressekonferenz mit Macron.
Der französische Präsident regte als einen ersten Schritt zur Entspannung im Nahost-Konflikt an, dass Israel den Bau von jüdischen Siedlungen einfrieren könnte. Netanjahu sagte, am wichtigsten sei es, zuallererst das Existenzrecht Israels anzuerkennen. "Hier ist die Geste, die ich (Palästinenser-Präsident Mahmud) Abbas anbiete: sich hinsetzen und über Frieden verhandeln. Das ist eine Geste für den Frieden. Nichts könnte einfacher sein."
Macron sagte, er rechne nicht mit einem baldigen Durchbruch. Zugleich wandte er sich trotz Trumps umstrittener Jerusalem-Entscheidung dagegen, die USA als Vermittler in dem Konflikt abzuschreiben. Er plädierte dafür abzuwarten, wie eine für Anfang kommenden Jahres erwartete Friedensinitiative der Amerikaner aussehen werde. Die US-Regierung bekräftigte, sich weiter um Frieden zu bemühen. Sie kritisierte zugleich, dass Abbas US-Vizepräsident Mike Pence auf dessen noch im Dezember anstehender Nahost-Reise nicht treffen wolle. "Es ist schade, dass die Palästinenserbehörde sich wieder von einer Gelegenheit abwendet, die Zukunft der Region zu diskutieren", sagte ein Sprecher des Trump-Stellvertreters.
Abbas wurde unterdessen von Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sissi für Montag nach Kairo eingeladen, um über die Krise zu beraten. Die Arabische Liga hatte in der ägyptischen Hauptstadt Trump dazu aufgerufen, den Beschluss zur Verlegung der US-Botschaft zu revidieren.