Investing.com – Die Börse befindet sich in einem Rausch. Angetrieben von Versprechungen über unglaubliche Gewinnmargen und einem unaufhaltsamen Wachstum, setzen Anleger ihre Himmel hochgesteckten Hoffnungen in Unternehmen, die angeblich die nächste große Revolution anführen sollen, sei es durch künstliche Intelligenz oder andere futuristischen Technologien. Doch die Realität könnte die Anleger bald auf den harten Boden der Tatsachen zurückholen, wie der renommierte Analyst William Hester in seinem jüngsten Blog-Beitrag eindrucksvoll darlegte.
1. Ein gefährlicher Rückblick: Blasen und Abstürze
Die Geschichte wiederholt sich offenbar immer wieder und immer wieder, ohne dass die Anleger daraus etwas lernen. Wir haben die Dot-Com-Blase in den frühen 2000er-Jahren überstanden, die Immobilienkrise von 2008 und jüngst die Höhenflüge und Abstürze von Elektroautounternehmen erlebt. All das lief nach dem gleichen Muster: Überschwängliche Gewinnerwartungen, die letztlich nicht erfüllt wurden.
Ende 1999 betrugen die Gewinnmargen des S&P 500 Index bei beeindruckenden 8,5 %. Auf dem Höhepunkt der Blase lagen die Schätzungen der Wall Street Analysten sogar mehr als 4 Basispunkte darüber. Alles schien so logisch – die Ausgaben für die neuen Technologien steigen und mit ihnen die Margen.
Doch die Realität sah anders aus, denn die Margen kamen noch nicht einmal in die Nähe der anvisierten 12,5 %. Auf dem Hoch Anfang 2001 betrugen sie magere 8,7 % und von da an ging es bergab. Nicht nur mit den Margen, sondern auch mit den Aktienkursen.
Solche Rückschläge kommen nicht aus dem Nichts – sie sind das Ergebnis unrealistischer Erwartungen, die in die Höhe schnellen, erklärt Hester.
2. Aktueller „All-in“-Wahn
Ein kurzer Blick auf die aktuellen Schätzungen für den S&P 500 reicht, um deutlich zu machen: Die All-in-Party ist in vollem Gange, und die Anleger sind bereit, alles auf eine Karte zu setzen. Analysten erwarten für die kommenden Jahre ein schier unglaubliches Gewinnwachstum, getrieben von der Euphorie rund um künstliche Intelligenz und andere vielversprechende Technologien.
Doch wie fundiert sind diese Erwartungen wirklich? Wenn man die hochgesteckten Prognosen genauer unter die Lupe nimmt, dann zeichnet sich schnell ein Bild ab, das mehr Wunschdenken als Realität widerspiegelt.
"Bloomberg-Schätzungen zufolge werden die Gewinne des S&P 500-Index zum Jahresende voraussichtlich bei 245 Dollar liegen. Im nächsten Jahr sollen sie 278 $ betragen und 2026 auf 302 $ ansteigen. Das bedeutet für 2024 ein Wachstum von etwa 9,7 %, dann 13,7 % und dann 8,6 %. Ausgehend von der Beziehung zwischen Kursen und späteren Gewinnen in den letzten Jahrzehnten werden die Gewinne im kommenden Jahr entweder mehr als doppelt so hoch sein wie die prognostizierte Wachstumsrate, oder die Aktien sind den Gewinnen in den letzten Monaten weit vorausgeeilt", so Hester.
3. Risiko irregeleiteter Erwartungen
Die Grundlage für hohe Aktienkurse sind oft optimistische Gewinnerwartungen. Doch diese Erwartungen stehen auf wackligen Beinen. Historisch gesehen korrelieren Gewinne und Aktienkurse nicht immer perfekt miteinander. Besonders in Blasenzeiten entkoppeln sich die Kurse von den Fundamentaldaten. Im Jahr 2000 stellte die gleitende Korrelation zwischen Gewinnen und Aktienkursen während der Marktblase sogar einen negativen Wert dar.
4. Die Mär von den unaufhaltsam steigenden Gewinnmargen
Denken wir an die Vergangenheit: Die Gewinnmargen sind in den letzten 25 Jahren größtenteils durch sinkende Zinskosten getrieben worden. Doch diese Zeiten sind vorbei. Extrem niedrige Zinssätze sind nicht in Sicht, und damit auch der Rückenwind, der die Gewinnmargen der Unternehmen befeuert hat. Die Haupttreiber der Gewinnmargen – geringere Steuerlasten und sinkende Zinskosten – sind ausgereizt.
Analysten gehen immer noch von weiteren Margenausweitungen aus, obwohl die zyklischen und säkularen Kräfte, die diese bisher stützten, nicht mehr in vollem Umfang vorhanden sind. Und im Ernst: Wie hoch kann man die Messlatte für Gewinnmargen legen, bevor sie einfach unerreichbar wird?
5. Unvermeidlicher Absturz: Ein Crash ist fast garantiert
Wenn die Erwartungen an das Gewinnwachstum nicht erfüllt werden, dürften die Marktteilnehmer eine drastische Korrektur erleben. Die bisherigen Annahmen über die „immerwährende" Profitabilität könnten bröckeln, und das sollte zu einem Dominoeffekt auf die Bewertungen führen.
Besonders gefährdet sind dabei Large-Cap-Technologieaktien, deren Bewertungen auf Rekordhöhen steigen. Diese Unternehmen werden derzeit fast als Heilsbringer angesehen, obwohl kleinere Technologiewerte wesentlich moderater bewertet sind. Die ungleiche Bewertung innerhalb des Marktes könnte sich als Weckruf erweisen, wenn die Realität die übertrieben optimistischen Erwartungen einholt.
Fazit: Zeit für eine Realitätsspritze
Die alarmierend hohen Erwartungen an das Gewinnwachstum der Börse stellen eine erhebliche Gefahr dar. Anleger sollten sich keine Illusionen machen: Es ist an der Zeit, die rosarote Brille abzunehmen und die Fundamentaldaten nüchtern zu betrachten. Es gibt keinen unaufhaltsamen Anstieg der Gewinnspannen – und ohne diese wird der Markt nicht in der Lage sein, die aktuellen Bewertungsniveaus aufrechtzuerhalten.
Wenn sich die Geschichte wiederholt, werden die fantasievollen Erwartungen bald einer harten Realität Platz machen müssen. Wer jetzt nicht umsichtig handelt, läuft Gefahr, zum Opfer der nächsten großen Marktkorrektur zu werden. Die Zeit der überschwänglichen Gewinnerwartungen wird enden und mit ihr die Jagd nach Allzeithochs.
Investoren sind deshalb gut beraten, sich die Bewertungen genau anzusehen und sich auf Aktien zu konzentrieren, die unterbewertet sind, was mit InvestingPro kinderleicht ist.
Hester stellte in seinem Blog auch den Beweis an, dass die rentabelsten Unternehmen an der Börse in der Regel schlechter abschneiden als die Konkurrenz. Der Grund ist einfach – Investoren kaufen die Rentabilität zu teuer ein.