Lieber Leser,
für die einen Genuss, für die anderen wichtige Arznei: Die Einsatzmöglichkeiten von Cannabis sind vielfältig. Und „Gras“ erlebt aktuell eine nie dagewesene Blüte. Aktuellen Prognosen zufolge wird der weltweite Cannabis-Markt in den kommenden 3 Jahren um 21% jährlich wachsen. Denn in vielen Ländern werden die Verbote oder strengen Auflagen zum Marihuana-Konsum gelockert.
Die neue Freiheit stößt besonders in den USA auf viel Gegenliebe. Hedgeshops (Zubehör) und Cannabis Dispensaries (Verkaufsstellen) sprießen wie Pilze aus dem Boden. Kein Wunder: Ist Cannabis schließlich nicht nur ein Genuss für die Konsumenten, sondern auch ein riesiges Geschäft für Produzenten und Shop-Besitzer. Ideologischen Rastafaris wird die derzeitige Industrialisierung der Marihuana-Produktion zwar nicht schmecken, doch Privatanleger, die am Boom des Wachstumsmarktes mitverdienen wollen, wittern zu Recht ihre Chance.
Die Frage, ob es gerechtfertigt ist, die teilweise als Einsteigerdroge verschrieene Substanz zu legalisieren, will ich hier im Biotech-Informer nicht diskutieren. Gerne können Sie, werter Leser, in einer der kommenden Chat-Runden das Thema als Diskussionsanstoß nehmen. Grundsätzlich stellt sich aus meiner Sicht – auch als Nichtkonsument – jedoch die Frage, warum informierten Bürgern des 21. Jahrhunderts der verantwortungsvolle Umgang mit Alkohol zugesprochen wird – mit Marihuana allerdings nicht.
Medizinischer Cannabis-Einsatz bereits vor über 2000 Jahren – dennoch steckt die Forschung in den Kinderschuhen
Wir wenden uns heute dem medizinischen Einsatz von Cannabis zu und die damit verbundenen Chancen für Sie. Dass Cannabis auch eine Arznei ist, dürfte Ihnen nicht unbekannt sein. In Cannabis enthaltene Cannabioide erzielten in präklinischen Studien über ein Dutzend positive Effekte. Diese reichen von einer schmerz-lindernden Wirkung bis hin zum reduziertem Tumorzellenwachstum.
Aufgrund des großen Wirkungsspektrums ist Cannabis daher bei einer Vielzahl von Erkrankungen ein wichtiger Behandlungsbaustein. Die Forschung, wie auf Cannabioide basierende Produkte beim Patienten am wirkungsvollsten eingesetzt werden, steckt jedoch mit Blick auf die lange Zeit restriktive Gesetzeslage noch in den Kinderschuhen – und das obwohl die medizinische Nutzung von Marihuana bereits vor Christi Geburt nachgewiesen kann.
Mittlerweile gibt es in Deutschland über 30 zugelassene Cannabis-Sorten mit unterschiedlicher Ausprägung der beiden wichtigsten Inhaltsstoffe THC und CBD. In den USA ist das Spektrum auf Cannabis basierender Arzneien ungleich größer und die Biotech-Unternehmen beeilen sich, neue Medikamente auf den Markt zu bringen.
Cannabis als Lösung für das US-Heroin-Problem
Besonders für die Schmerztherapie sind neue zielgerichtete auf Cannabis basierende Produkte wichtig. In den USA wurde in dem Bereich zu lange auf den Einsatz von Opioiden vertraut, der ein massives Drogenproblem zur Folge hatte.
Inzwischen wird von einer neuen Heroin-Epidemie gesprochen, bei nicht wenigen begann die Sucht im Krankenhaus. Man mag es kaum glauben, doch einige Schmerzpatienten wechseln aus finanziellen Gründen vom Medikament zu Heroin.
Mit gravierenden Folgen: Allein 2017 starben in den USA 72.000 Menschen (+10%) an einer Drogenüberdosis. Dass es nicht noch mehr waren, ist vielfach dem Opioid-Antagonisten Naloxon zu verdanken, der die Folgen einer Überdosis in wenigen Minuten stoppt.
Experten gehen davon aus, dass ein verstärkter Einsatz von Cannabioiden als kompletten Opioid-Ersatz oder zur Therapie-Ergänzung etliche chronische Schmerz-Patienten vor einer Abhängigkeit und den Absturz in die Heroinszene schützen würde. Hauptgrund ist, dass bei einer Kombinationstherapie eine niedrigere Dosierung von Opioiden zur Schmerzlinderung ausreicht.
Die Indikation ist da, doch noch fehlen belastbare Forschungsergebnisse. Verschiedene Biotech-Unternehmen arbeiten jedoch daran, in klinischen Studien den Nachweis zu erbringen, dass die Vorteile überwiegen, um dann die passenden Medikamente anbieten zu können.
Augen auf beim Cannabis-Aktienkauf!
Die Anzahl börsennotierter Cannabis-Unternehmen hat nach einer Reihe von Börsengängen deutlich zugenommen. Das Thema wird aktuell gehypt und trotz gewaltiger Chancen sollten Sie nicht blind in Cannabis-Unternehmen investieren.
Nicht jedes aktuell gelistete Unternehmen wird dem wachsenden Konkurrenzdruck Stand halten. Besonders im Pennystockbereich (Aktien unter 1 Dollar) sollten Sie vor einer Cannabis-Investition ausführlich und auf keinen Fall einseitig recherchieren. Nicht selten ist es hilfreich, in einem Wachstumsmarkt auf mehrere etablierte Spieler zu setzen, um das Investitionsrisiko zu streuen.
Ein Beispiel für einen etablierten Spieler wäre Canopy Growth (TO:WEED). US-Getränkeriese Constellation Brands investierte kürzlich bis zu 4 Mrd. US-Dollar in das Unternehmen und zahlte dabei eine Prämie von 38% auf den Börsenkurs.
Aktuell scheint der Aktienkurs ein wenig überhitzt, doch wenn das Papier noch einmal in die Richtung des von Constelation Brands gezahlten Preises in Höhe von 48,60 CAD je Aktie zurückfällt, könnte eine Investition für Sie interessant werden.
Wichtigste Einflussfaktoren für den Kurs einer Biotech-Aktie: Erfolgswahrscheinlichkeit des Medikaments, Marktgröße, Konkurrenzsituation
Kommen wir zurück zum Thema Biotech. Um bei Cannabis-Biotech-Unternehmen die Spreu vom Weizen zu trennen, ist oftmals ein Blick auf die Analystenempfehlungen hilfreich. Analysten können die Erfolgswahrscheinlichkeit einer klinischen Studie in der Regel deutlich besser einschätzen als Privatanleger.
Von größter Bedeutung ist dabei auch das Absatzpotenzial eines kommenden Medikaments. Wird das kommende Medikament ein Blockbuster mit über 1 Mrd. Dollar, oder reicht es vielleicht doch nur für wenige Millionen? Wo sitzen die potenziellen Konkurrenten und wie weit sind diese mit ihrer Erforschung?
GW Pharma-Analyst: Epidolex könnte 2025 bis zu 2,2 Mrd. Dollar Umsatz erzielen
Das Biotech-Unternehmen GW Pharma hat am 25. Juni dieses Jahres Geschichte geschrieben. Als erstem Unternehmen gelang es GW Pharma, die Genehmigung für ein auf Cannabis basiertes Medikament durch die US-Behörde FDA zu erhalten.
GW Pharmas Medikament Epidolex erhielt die Zulassung für die orale Behandlung von Patienten mit dem Lennox-Gastaut- und Dravet-Syndrom, zwei Formen von schwerer Epilepsie. Beim Dravet-Syndrom könnte das Medikament aufgrund fehlender Behandlungsalternativen fast den kompletten Markt für sich gewinnen.
Epidolex soll noch in diesem Monat für die Patienten erhältlich sein. Je nach Analyst wird das Absatzpotenzial des Medikaments inklusive der Behandlung des Lennox-Gastaut-Syndroms auf bis zu 2,2 Mrd. Dollar im Jahr 2025 beziffert.
Nach der Epidolex-Zulassung: Analysten blasen zum Einstieg
Trifft die optimistische Absatz-Prognose ein, ist die Aktie aus heutiger Sicht ein Schnäppchen. Doch selbst wenn es „nur“ für ein Blockbuster-Medikament mit 1 Mrd. Dollar Umsatz reicht, lohnt sich ein zweiter Blick auf die Aktie. Denn mit einem aktuellen Kurs-Umsatz-Verhältnis von unter 4 sind die Anteilsscheine im Branchenvergleich dann nicht zu teuer.
Analysten sehen zumindest noch ordentlich Kurspotenzial und empfehlen mehrheitlich den Einstieg. 6 von 8 Analysten empfehlen den Kauf. In der vergangenen Woche empfahl David Lebowitz, Analyst der Investmentbank MorganStanley den Einstieg mit Kursziel 197 Dollar – aktuell kostet die Aktie rund 140 Dollar (Gewinnpotenzial 40%).
Noch optimistischer ist das Analysehaus Cantor Fitzgerald. Analyst Elemer Piros beziffert den fairen Wert der Aktie auf 211 Dollar (Gewinnpotenzial 50%). Ebenfalls „die 2 vorne“ hat beim Kursziel Tazeen Ahmad, Analyst bei BankofAmerica MerirllLynch.
Etwas weniger optimistisch ist Salveen Richter von GoldmanSachs, der die Aktie bei 188 Dollar fair bewertet sieht. Richters Kursziel liegt zwar „nur“ 34% über dem aktuellen Börsenkurs, doch der Analyst verweist auf eine attraktive übernahme-Chance. Und wenn es zu einer Übernahme kommt, dürfte der Aktienkurs deutlich höher liegen.
Das Biotech-Unternehmen GW Pharma ist bei den Analysten hoch im Kurs und das aus Sicht des Biotech-Informers zurecht. Mehrere Katalysatoren (u.a. neue Forschungsdaten) könnten schon in der zweiten Jahreshälfte die Aktie weiter nach oben treiben. Ein erfolgreicher Verkaufsstart von Epidolex erscheint aufgrund der großen Patientenzahl in der klinischen Studie (>1.200) wahrscheinlich, ebenso die Aufnahme des Medikaments durch die Krankenkassen. Da es beim Dravet-Syndrom derzeit keine Alternativen zu Epidolex gibt, sollte das Medikament schnell eine tiefe Marktdurchdringung erreichen. Dies stützt die Annahme, dass Epidolex ein Blockbuster-Medikament und die Aktie mehr wert ist.
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Ein Beitrag von Glenn Miller